Ökumene: Probleme der Annäherung

Angesichts des Grundkonsenses im Glauben, der sich zum Beispiel in der oben zitierten Basisformel des Ökumenischen Rates der Kirchen äußert ...

„Der ÖRK ist eine Gemeinschaft von Kirchen, die den Herrn Jesus Christus gemäß der Heiligen Schrift als Gott und Heiland bekennen und darum gemeinsam zu erfüllen trachten, wozu sie berufen sind, zur Ehre Gottes, des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes.“

... stellt sich die Frage, in welchen Themenbereichen Uneinigkeit, Kontroversen und Probleme des ökumenischen Miteinanders bestehen.

Schrift und Tradition
Eine klassische Kontroverse, insbesondere zwischen den Kirchen katholischer und reformatorischer Prägung, ist die Frage der Stellung von Bibel, Kanonbildung, Tradition und Bekenntnis. Während das reformatorische Schriftprinzip allein die Schrift – sola scriptura – als Offenbarungsquelle gelten läßt, betont die römisch-katholische tridentinisch geprägte Theologie das Nebeneinander von Schrift und Tradition.

In dieser Frage ist es in den 1960er Jahren zu einer Annäherung gekommen: Einerseits erarbeitete die fünfte Weltkonferenz für Glauben und Kirchenverfassung in Montreal 1963 einen Text, der das Bibelverständnis im Kontext eines umfassenden Traditionsverständnisses verortet. Andererseits hält das Zweite Vatikanische Konzil in der Offenbarungskonstitution Dei Verbum die große Bedeutung der Schrift als Glaubensnorm auch im römisch-katholischen Verständnis fest.

Kirchen- und Amtsverständnis
Ein wesentliches Problem des ökumenischen Dialogs ist die unterschiedliche Zielsetzung bzw. Definition von christlicher Einheit bei verschiedenen Konfessionen. Auch die Geschichte der unterschiedlichen Konfessionen spielt eine gewichtige Rolle. Das protestantische Modell „versöhnter Verschiedenheit“, das der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa zugrunde liegt, ist auf römisch-katholischer Seite nicht akzeptiert.

Besonders hinderlich für die ökumenische Bewegung sind das unterschiedliche Kirchen- und Amtsverständnis insbesondere mit der Frage nach dem Verhältnis von allgemeinem und besonderem Priestertum. Auch hinderlich in dieser Beziehung ist das Papstamt der römisch-katholischen Kirche. Wiederkehrende Versuche, dem Papst eine Art oberster moralischer Instanz für andere Kirchen zuzuweisen, sind aufgrund der ekklesiologischen Unvereinbarkeit zum Scheitern verurteilt.

Sakramentsverständnis, Rechtfertigungslehre
Der Dialog über Sakrament, Rechtfertigung und Gnade hat in den letzten Jahren zu einer gewissen Annäherung zwischen der römisch-katholischen und lutherischen Position geführt. Diese wurde insbesondere in der Rechtfertigungslehre und der Charta Oecumenica sichtbar. Beide Texte sind jedoch katholischerseits nie offiziell rezipiert worden (im Sinne der Veröffentlichung in den Acta Apostolica Sedis). Keiner der Texte bietet eine lehrmäßige Übereinstimmung.

Gegenseitige Unkenntnis
Grundproblem sind aber das (oft gegenseitige) mangelnde Wissen über die unterschiedliche Definition in verschiedenen Konfessionen, häufig ein gewisses Desinteresse an der Ökumene in Zeiten, in denen auf die gegenseitige Lehrverurteilungen verzichtet wird, und die zunehmende Suche nach Profilierung gerade in Zeiten sinkender Mitgliederzahlen. Unwissen kann zu Kommunikationsproblemen führen, aber ebenso auch zu einer übertriebenen Einschätzung von ökumenischer Annäherung.

Die interkonfessionelle/konfessionsverschiedene/konfessionsverbindende Ehe ist der Bereich, in dem die Ökumene im Alltag des Einzelnen konkret gelebt werden, aber auch die Spaltung der Christen schmerzhaft und persönlich erfahrbar sein kann.


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