Contra: Stammtischparolen gegen Flüchtlinge

Die rund 70 Teilnehmer standen beim Argumentationstraining gegen ausländerfeindliche Stammtischparolen in Wuppertal noch unter dem Eindruck des Abschneidens der AfD bei den vergangenen Landtagswahlen. Am Ende des Abends hat jeder einzelne Teilnehmer jedoch begriffen, dass Rassismus in Deutschland nicht erst ein großes Problem ist, seit viele Flüchtlinge in Deutschland Zuflucht suchen.

Klaus-Peter Hufer, Politologe an der Universität Duisburg-Essen, bietet seit 2001 Argumentationstrainings gegen Stammtischparolen an und hat dazu auch ein Buch veröffentlicht. "Die Inhalte sind über die Jahre weitestgehend gleich geblieben", sagt Hufer. "Nur die gesellschaftliche Auseinandersetzung hat sich mit der Zeit zugespitzt."

Konkrete Gedankenspiele zeigen: So geht es nicht
Gibt es denn überhaupt eine Möglichkeit, angemessen zu reagieren, ohne sich auf das gleiche Niveau herabzulassen? Die gibt es tatsächlich:

- Neben dem Aufzählen von Fakten und Statistiken hilft es laut Hufer auch, den Gesprächspartner zu fragen, inwiefern er denn selbst betroffen ist.

- "Im Zweifel gilt auch immer: nachfragen, nachfragen, nachfragen." Er erklärt an einem Beispiel, was damit gemeint ist. "Wenn jemand die Grenzschließung in Deutschland fordert, sollten Sie fragen, wie er sich denn eine konkrete Lösung vorstellt." Bei einer Grenzschließung müsse man über 1.000 Kilometer Zaun verlegen, die europäische Freizügigkeit aufheben und Soldaten mit Schießbefehl an die Grenzen stellen. "Wenn man die Leute auffordert, konkret zu werden, kommen Sie irgendwann zu Maßnahmen, die in einem Land mit demokratischer Grundordnung nicht umsetzbar sind", ist sich Hufer sicher.
- Neben dem gezielten Nachfragen gibt der Wissenschaftler dem Publikum noch weitere Gegenstrategien an die Hand: Man solle nicht mitmachen, wenn der Gegenüber von einer Parole zur nächsten springt.

- Moralisierende Belehrungen würden auch nicht weiterhelfen. "Das heißt aber nicht, dass Sie nicht mit Moral argumentieren sollten", erläutert der Politologe.

- Wichtig sei auch, das "die" als generalisierende Kategorie aufzulösen.

- "In einem solchen Gespräch sollte es außerdem Ziel sein, Brücken zu bauen und die eigenen Ansprüche zu reduzieren." Der Gegenüber habe sich seine Vorurteile schließlich über Jahre hinweg gebildet. Im Idealfall schafft man es, die Position abzulehnen, die Person aber anzunehmen.

Rassismus ist vielschichtig
Der Professor der Uni Duisburg-Essen liefert auch den theoretischen Hintergrund dazu. Zur gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit, die oftmals in Stammtischparolen zum Ausdruck gebracht wird, gehörten neben Rassismus auch Sexismus, Homophobie, die Relativierung der NS-Zeit, Sozialdarwinismus sowie die Abwertung von Obdachlosen, Menschen mit Behinderung und Sinti und Roma. In Deutschland hätten zwischen sieben und neun Prozent der Bevölkerung ein geschlossenes rechtsextremes Weltbild, sagt Hufer.

Dass die AfD als rechtspopulistische (nicht rechtsextreme) Partei auch schon vor der Flüchtlingskrise ein beachtliches Wählerpotenzial gehabt hätte, begründet Hufer mit einer Statistik aus dem Jahr 2012. Damals hätten 50 Prozent der Bevölkerung der Aussage zugestimmt, es gebe zu viele Ausländer in Deutschland. Knapp 20 Prozent fanden, Juden hätten in diesem Land zu viel Einfluss. Drei von zehn Menschen waren gar der Meinung, es gebe eine natürliche Hierarchie zwischen schwarzen und weißen Menschen. Angesichts dieser Zahlen gibt Hufer dem größtenteils protestantischen Publikum am Ende noch einen Ratschlag von Martin Luther auf den Weg, sich beim Argumentieren knapp zu halten: "Mach's Maul auf, sprich's gerade aus, hör' bald auf."

Quelle & weitere Informationen:
http://www.ekd.de/aktuell/edi_2016_03_21_argumentationstraining.html

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