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Präambel
(1) Die Lehre von der Rechtfertigung hatte für die lutherische Reformation des 16. Jahrhunderts zentrale Bedeutung. Sie galt ihr als der „erste und Hauptartikel",1 der zugleich „Lenker und Richter über alle Stücke christlichen Lehre"2 sei. Ganz besonders wurde die Rechtfertigungslehre in der reformatorischen Ausprägung und ihrem besonderen Stellenwert gegenüber der römisch-katholischen Theologie und Kirche der damaligen Zeit vertreten und verteidigt, die ihrerseits eine anders geprägte Rechtfertigungslehre vertraten und verteidigten. Hier lag aus reformatorischer Sicht der Kernpunkt aller Auseinandersetzungen. Es kam in den lutherischen Bekenntnisschriften3 und auf dem Trienter Konzil der römisch-katholischen Kirche zu Lehrverurteilungen, die bis heute gültig sind und kirchentrennende Wirkung haben.
(2) Die Rechtfertigungslehre hat für die lutherische Tradition jenen besonderen Stellenwert bewahrt. Deshalb nahm sie auch im offiziellen lutherisch-katholischen Dialog von Anfang an einen wichtigen Platz ein.
(3) In besonderer Weise sei verwiesen auf die Berichte „Evangelium und Kirche" (1972)4 und „Kirche und Rechtfertigung" (1994)5 der internationalen Gemeinsamen Römisch-katholischen/Evangelisch-lutherischen Kommission, auf den Bericht „Rechtfertigung durch den Glauben" (1983)6 des katholisch-lutherischen Dialogs in den USA und die Studie „Lehrverurteilungen – kirchentrennend?" (1986)7 des Ökumenischen Arbeitskreises evangelischer und katholischer Theologen in Deutschland. Einige von diesen Dialogberichten haben eine offizielle Rezeption erfahren. Ein wichtiges Beispiel ist die verbindliche Stellungnahme, die die Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands zusammen mit den anderen Kirchen in der Evangelischen Kirche in Deutschland mit dem höchstmöglichen Grad kirchlicher Anerkennung zu der Studie über die Lehrverurteilungen verabschiedet hat (1994).8
(4) All die genannten Dialogberichte und auch die Stellungnahmen dazu zeigen in ihrer Erörterung der Rechtfertigungslehre untereinander ein hohes Maß an gemeinsamer Ausrichtung und gemeinsamem Urteil. Es ist darum an der Zeit, Bilanz zu ziehen und die Ergebnisse der Dialoge über die Rechtfertigung in einer Weise zusammenzufassen, die unsere Kirchen in der gebotenen Präzision und Kürze über den Gesamtertrag dieses Dialogs informiert und es ihnen zugleich ermöglicht, sich verbindlich dazu zu äußern.
(5) Das will diese Gemeinsame Erklärung tun. Sie will zeigen, daß aufgrund des Dialogs die unterzeichnenden lutherischen Kirchen und die römisch-katholische Kirche9 nunmehr imstande sind, ein gemeinsames Verständnis unserer Rechtfertigung durch Gottes Gnade im Glauben an Christus zu vertreten. Sie enthält nicht alles, was in jeder der Kirchen über Rechtfertigung gelehrt wird; sie umfaßt aber einen Konsens in Grundwahrheiten der Rechtfertigungslehre und zeigt, daß die weiterhin unterschiedlichen Entfaltungen nicht länger Anlaß für Lehrverurteilungen sind.
(6) Unsere Erklärung ist keine neue und selbständige Darstellung neben den bisherigen Dialogberichten und Dokumenten, erst recht will sie diese nicht ersetzen. Sie bezieht sich vielmehr – wie der Anhang über die Quellen zeigt – auf die genannten Texte und deren Argumentation.
(7) Wie die Dialoge selbst so ist auch diese Gemeinsame Erklärung von der Überzeugung getragen, daß eine Überwindung bisheriger Kontroversfragen und Lehrverurteilungen weder die Trennungen und Verurteilungen leicht nimmt, noch die eigene kirchliche Vergangenheit desavouiert. Sie ist jedoch von der Überzeugung bestimmt, daß unseren Kirchen in der Geschichte neue Einsichten zuwachsen und daß sich Entwicklungen vollziehen, die es ihnen nicht nur erlauben, sondern von ihnen zugleich fordern, die trennenden Fragen und Verurteilungen zu überprüfen und in einem neuen Licht zu sehen.
1. Biblische Rechtfertigungsbotschaft
(8) Zu diesen neuen Einsichten hat unsere gemeinsame Art und Weise geführt, auf das Wort Gottes in der Heiligen Schrift zu hören. Gemeinsam hören wir das Evangelium, daß „Gott die Welt so sehr geliebt hat, daß er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat" (Joh 3,16). Diese frohe Botschaft wird in der Heiligen Schrift in verschiedener Weise dargestellt. Im Alten Testament hören wir das Wort Gottes von der menschlichen Sündhaftigkeit (Ps 51,1-5; Dan 9,5f.; Koh 8,9f.; Esra 9,6f.) und vorn menschlichen Ungehorsam (Gen 3,1-19; Neh 9,16f.26) sowie von der Gerechtigkeit (Jes 46,13; 51,5-8; 56,1; [vgl. 53,11]; Jer 9,24) und vom Gericht Gottes (Koh 12,14; Ps 9,5f.; 76,7-9).
(9) Im Neuen Testament werden bei Matthäus (5,10; 6,33; 21,32), Johannes (16,8-11), im Hebräerbrief (5,13; 10,37f.) und im Jakobusbrief (2,14-26) die Themen „Gerechtigkeit" und „Rechtfertigung" unterschiedlich behandelt".10 Auch in den paulinischen Briefen wird die Gabe des Heils auf verschiedene Weise beschrieben, unter anderem: als „Befreiung zur Freiheit" (Gal 5,1-13; vgl. Röm 6,7), als „Versöhnung mit Gott" (2 Kor 5,18-21; vgl. Röm 5,1 1), als „Frieden mit Gott" (Röm 5,1), als „neue Schöpfung" (2 Kor 5,17), als „Leben für Gott in Christus Jesus" (Röm 6,11.23), oder als „Heiligung in Christus Jesus" (vgl. 1 Kor 1,2; 1,30, 2 Kor 1,1). Herausragend unter diesen Bezeichnungen ist die Beschreibung als „Rechtfertigung" des Sünders durch Gottes Gnade im Glauben (Röm 3,23-25), die in der Reformationszeit besonders hervorgehoben wurde.
(10) Paulus beschreibt das Evangelium als Kraft Gottes zur Rettung des unter die Macht der Sünde gefallenen Menschen: als Botschaft, die die „Gerechtigkeit Gottes aus Glauben zum Glauben" (Röm 1,16f.) verkündet und die „Rechtfertigung" (Röm 3,21-31) schenkt. Er verkündet Christus als „unsere Gerechtigkeit" (1 Kor 1,30), indem er auf den auferstandenen Herrn anwendet, was Jeremias über Gott selbst verkündet hat (Jer 23,6). In Christi Tod und Auferstehung sind alle Dimensionen seines Erlösungswerkes verwurzelt, denn er ist „unser Herr, der wegen unserer Verfehlungen hingegeben, wegen unserer Gerechtigkeit auferweckt wurde" (Röm 4,25). Alle Menschen bedürfen der Gerechtigkeit Gottes, denn „alle haben gesündigt und die Herrlichkeit Gottes verloren" (Röm 3,23; vgl. Röm 1,18-3,20; 11,32; Gal 3,22). Im Galaterbrief (3,6) und im Römerbrief (4,3-9) versteht Paulus den Glauben Abrahams (Gen 15,6) als Glauben an den Gott, der den Sünder rechtfertigt (Röm 4,5) und beruft sich auf das Zeugnis des Alten Testaments, um sein Evangelium zu unterstreichen, daß jene Gerechtigkeit allen angerechnet wird, die wie Abraham auf Gottes Versprechen vertrauen. „Der aus Glauben Gerechte wird leben" (Hab 2,4; vgl. Gal 3,11; Röm 1,17). In den paulinischen Briefen ist Gottes Gerechtigkeit zugleich Gottes Kraft für jeden Glaubenden (Röm 1,16f.). In Christus läßt er sie unsere Gerechtigkeit sein (2 Kor 5,21). Die Rechtfertigung wird uns zuteil durch Christus Jesus, „den Gott dazu bestimmt hat, Sühne zu leisten mit seinem Blut, Sühne, wirksam durch Glauben" (Röm 3,25; vgl. 3,21-28). „Denn aus Gnade seid ihr durch den Glauben gerettet, nicht aus eigener Kraft – Gott hat es geschenkt –, nicht aufgrund eurer Werke" (Eph 2,8f.).
(11) Rechtfertigung ist Sündenvergebung (Röm 3,23-25; Apg 13,39; Lk 18,14), Befreiung von der herrschenden Macht der Sünde und des Todes (Röm 5,12-21) und vom Fluch des Gesetzes (Gal 3,10-14). Sie ist Aufnahme in die Gemeinschaft mit Gott, schon jetzt, vollkommen aber in Gottes künftigem Reich (Röm 5,1f.). Sie vereinigt mit Christus und seinem Tod und seiner Auferstehung (Röm 6,5). Sie geschieht im Empfangen des Heiligen Geistes in der Taufe als Eingliederung in den einen Leib (Röm 8,1 f.9f.; 1 Kor 12,12f.). All das kommt allein von Gott um Christi willen aus Gnade durch den Glauben an das „Evangelium vom Sohn Gottes" (Röm 1,1-3).
(12) Die Gerechtfertigten leben aus dem Glauben, der aus dem Wort Christi kommt (Röm 10, 17) und der in der Liebe wirkt (Gal 5,6), die Frucht des Geistes ist (Gal 5,22f.). Aber da Mächte und Begierden die Gläubigen äußerlich und innerlich anfechten (Röm 8,35-39, Gal 5,16-21) und diese in Sünde fallen (1 Joh 1,8.10), müssen sie die Verheißungen Gottes immer wieder hören, ihre Sünden bekennen (1 Joh 1,9), an Christi Leib und Blut teilhaben und ermahnt werden, in Übereinstimmung mit dem Willen Gottes gerecht zu leben. Darum sagt der Apostel den Gerechtfertigten: „Müht euch mit Furcht und Zittern um euer Heil! Denn Gott ist es, der in euch das Wollen und das Vollbringen bewirkt, noch über euren guten Willen hinaus" (Phil 2,12f.). Die frohe Botschaft aber bleibt: „Jetzt gibt es keine Verurteilung mehr für die, welche in Christus Jesus sind" (Röm 8,1) und in denen Christus lebt (Gal 2,20). Durch die gerechte Tat Christi wird es „für alle Menschen zur Gerechtsprechung kommen, die Leben gibt" (Röm 5,18).
2. Die Rechtfertigungslehre als ökumenisches Problem
(13) Die gegensätzliche Auslegung und Anwendung der biblischen Botschaft von der Rechtfertigung waren im 16. Jahrhundert ein Hauptgrund für die Spaltung der abendländischen Kirche, was sich auch in Lehrverurteilungen niedergeschlagen hat. Für die Überwindung der Kirchentrennung ist darum ein gemeinsames Verständnis der Rechtfertigung grundlegend und unverzichtbar. In Aufnahme von bibelwissenschaftlichen, Theologie- und dogmengeschichtlichen Erkenntnissen hat sich im ökumenischen Dialog seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil eine deutliche Annäherung hinsichtlich der Rechtfertigungslehre herausgebildet, so daß in dieser gemeinsamen Erklärung ein Konsens in Grundwahrheiten der Rechtfertigungslehre formuliert werden kann, in dessen Licht die entsprechenden Lehrverurteilungen des 16. Jahrhunderts heute den Partner nicht treffen.
3. Das gemeinsame Verständnis der Rechtfertigung
(14) Das gemeinsame Hören auf die in der Heiligen Schrift verkündigte frohe Botschaft und nicht zuletzt die theologischen Gespräche der letzten Jahre zwischen den lutherischen Kirchen und der römisch-katholischen Kirche haben zu einer Gemeinsamkeit im Verständnis von der Rechtfertigung geführt. Es umfaßt einen Konsens in den Grundwahrheiten; die unterschiedlichen Entfaltungen in den Einzelaussagen sind damit vereinbar.
(15) Es ist unser gemeinsamer Glaube, daß die Rechtfertigung das Werk des dreieinigen Gottes ist. Der Vater hat seinen Sohn zum Heil der Sünder in die Welt gesandt. Die Menschwerdung, der Tod und die Auferstehung Christi sind Grund und Voraussetzung der Rechtfertigung. Daher bedeutet Rechtfertigung, daß Christus selbst unsere Gerechtigkeit ist, derer wir nach dem Willen des Vaters durch den Heiligen Geist teilhaftig werden. Gemeinsam bekennen wir: Allein aus Gnade im Glauben an die Heilstat Christi, nicht auf Grund unseres Verdienstes, werden wir von Gott angenommen und empfangen den Heiligen Geist, der unsere Herzen erneuert und uns befähigt und aufruft zu guten Werken.11
(16) Alle Menschen sind von Gott zum Heil in Christus berufen. Allein durch Christus werden wir gerechtfertigt, indem wir im Glauben dieses Heil empfangen. Der Glaube selbst ist wiederum Geschenk Gottes durch den Heiligen Geist, der im Wort und in den Sakramenten in der Gemeinschaft der Gläubigen wirkt und zugleich die Gläubigen zu jener Erneuerung ihres Lebens führt, die Gott im ewigen Leben vollendet.
(17) Gemeinsam sind wir der Überzeugung, daß die Botschaft von der Rechtfertigung uns in besonderer Weise auf die Mitte des neutestamentlichen Zeugnisses von Gottes Heilshandeln in Christus verweist: Sie sagt uns, daß wir Sünder unser neues Leben allein der vergebenden und neuschaffenden Barmherzigkeit Gottes verdanken, die wir uns nur schenken lassen und im Glauben empfangen, aber nie – in welcher Form auch immer verdienen können.
(18) Darum ist die Lehre von der Rechtfertigung, die diese Botschaft aufnimmt und entfaltet, nicht nur ein Teilstück der christlichen Glaubenslehre. Sie steht in einem wesenhaften Bezug zu allen Glaubenswahrheiten, die miteinander in einem inneren Zusammenhang zu sehen sind. Sie ist ein unverzichtbares Kriterium, das die gesamte Lehre und Praxis der Kirche unablässig auf Christus hin orientieren will. Wenn Lutheraner die einzigartige Bedeutung dieses Kriteriums betonen, verneinen sie nicht den Zusammenhang und die Bedeutung aller Glaubenswahrheiten. Wenn Katholiken sich von mehreren Kriterien in Pflicht genommen sehen, verneinen sie nicht die besondere Funktion der Rechtfertigungsbotschaft. Lutheraner und Katholiken haben gemeinsam das Ziel, in allem Christus zu bekennen, dem allein über alles zu vertrauen ist als dem einen Mittler (1 Tim 2.5f.), durch den Gott im Heiligen Geist sich selbst gibt und seine erneuernden Gaben schenkt [vgl. Quellen zu Kap. 3.].
4. Die Entfaltung des gemeinsamen Verständnisses
der Rechtfertigung
4.1 Unvermögen und Sünde des Menschen angesichts der Rechtfertigung
(19) Wir bekennen gemeinsam, daß der Mensch im Blick auf sein Heil völlig auf die rettende Gnade Gottes angewiesen ist. Die Freiheit, die er gegenüber den Menschen und den Dingen der Welt besitzt, ist keine Freiheit auf sein Heil hin. Das heißt, als Sünder steht er unter dem Gericht Gottes und ist unfähig, sich von sich aus Gott um Rettung zuzuwenden oder seine Rechtfertigung vor Gott zu verdienen oder mit eigener Kraft sein Heil zu erreichen. Rechtfertigung geschieht allein aus Gnade. Weil Katholiken und Lutheraner das gemeinsam bekennen, darum gilt:
(20) Wenn Katholiken sagen, daß der Mensch bei der Vorbereitung auf die Rechtfertigung und deren Annahme durch seine Zustimmung zu Gottes rechtfertigendem Handeln „mitwirke", so sehen sie in solch personaler Zustimmung selbst eine Wirkung der Gnade und kein Tun des Menschen aus eigenen Kräften.
(21) Nach lutherischer Auffassung ist der Mensch unfähig, bei seiner Errettung mitzuwirken, weil er sich als Sünder aktiv Gott und seinem rettenden Handeln widersetzt. Lutheraner verneinen nicht, daß der Mensch das Wirken der Gnade ablehnen kann. Wenn sie betonen, daß der Mensch die Rechtfertigung nur empfangen kann (mere passive), so verneinen sie damit jede Möglichkeit eines eigenen Beitrags des Menschen zu seiner Rechtfertigung, nicht aber sein volles personales Beteiligtsein im Glauben, das vom Wort Gottes selbst gewirkt wird [vgl. Quellen zu Kap. 4.1.].
4.2 Rechtfertigung als Sündenvergebung und Gerechtmachung
(22) Wir bekennen gemeinsam, daß Gott aus Gnade dem Menschen die Sünde vergibt und ihn zugleich in seinem Leben von der knechtenden Macht der Sünde befreit und ihm das neue Leben in Christus schenkt. Wenn der Mensch an Christus im Glauben teilhat, rechnet ihm Gott seine Sünde nicht an und wirkt in ihm tätige Liebe durch den Heiligen Geist. Beide Aspekte des Gnadenhandelns Gottes dürfen nicht voneinander getrennt werden. Sie gehören in der Weise zusammen, daß der Mensch im Glauben mit Christus vereinigt wird, der in seiner Person unsere Gerechtigkeit ist (1 Kor 1,30): sowohl die Vergebung der Sünden, als auch die heiligende Gegenwart Gottes. Weil Katholiken und Lutheraner das gemeinsam bekennen, darum gilt:
(23) Wenn Lutheraner betonen, daß Christi Gerechtigkeit unsere Gerechtigkeit ist, wollen sie vor allem festhalten, daß dem Sünder durch den Zuspruch der Vergebung die Gerechtigkeit vor Gott in Christus geschenkt wird und sein Leben nur in Verbindung mit Christus erneuert wird. Wenn sie, sagen, daß Gottes Gnade vergebende Liebe („Gunst Gottes"12) ist, verneinen sie damit nicht die Erneuerung des Lebens des Christen, sondern wollen zum Ausdruck bringen, daß die Rechtfertigung frei bleibt von menschlicher Mitwirkung und auch nicht von der lebenserneuernden Wirkung der Gnade im Menschen abhängt.
(24) Wenn die Katholiken betonen, daß dem Gläubigen die Erneuerung des inneren Menschen durch den Empfang der Gnade geschenkt wird,13 dann wollen sie festhalten, daß die vergebende Gnade Gottes, immer mit dem Geschenk, eines neuen Lebens verbunden ist, das sich im Heiligen Geist in tätiger Liebe auswirkt; sie verneinen damit aber nicht, daß Gottes Gnadengabe in der Rechtfertigung unabhängig bleibt von menschlicher Mitwirkung [vgl. Quellen zu Kap. 4.2.].
4.3 Rechtfertigung durch Glauben und aus Gnade
(25) Wir bekennen gemeinsam, daß der Sünder durch den Glauben an das Heilshandeln Gottes in Christus gerechtfertigt wird; dieses Heil wird ihm vom Heiligen Geist in der Taufe als Fundament seines ganzen christlichen Lebens geschenkt. Der Mensch vertraut im rechtfertigenden Glauben auf Gottes gnädige Verheißung, in dem die Hoffnung auf Gott und die Liebe zu ihm eingeschlossen sind. Dieser Glaube ist in der Liebe tätig; darum kann und darf der Christ nicht ohne Werke bleiben. Aber alles, was im Menschen dem freien Geschenk des Glaubens vorausgeht und nachfolgt, ist nicht Grund der Rechtfertigung und verdient sie nicht.
(26) Nach lutherischem Verständnis rechtfertigt Gott den Sünder allein im Glauben (sola fide). Im Glauben vertraut der Mensch ganz auf seinen Schöpfer und Erlöser und ist so in Gemeinschaft mit ihm. Gott selber bewirkt den Glauben, indem er durch sein schöpferisches Wort solches Vertrauen hervorbringt. Weil diese Tat Gottes eine neue Schöpfung ist, betrifft sie alle Dimensionen der Person und führt zu einem Leben in Hoffnung und Liebe. So wird in der Lehre von der „Rechtfertigung allein durch den Glauben" die Erneuerung der Lebensführung, die aus der Rechtfertigung notwendig folgt und ohne die kein Glaube sein kann, zwar von der Rechtfertigung unterschieden, aber nicht getrennt. Vielmehr wird damit der Grund angegeben, aus dem solche Erneuerung hervorgeht. Aus der Liebe Gottes, die dem Menschen in der Rechtfertigung geschenkt wird, erwächst die Erneuerung des Lebens. Rechtfertigung und Erneuerung sind durch den im Glauben gegenwärtigen Christus verbunden.
(27) Auch nach katholischem Verständnis ist der Glaube für die Rechtfertigung fundamental; denn ohne ihn kann es keine Rechtfertigung geben. Der Mensch wird als Hörer des Wortes und Glaubender durch die Taufe gerechtfertigt. Die Rechtfertigung des Sünders ist Sündenvergebung und Gerechtmachung durch die Rechtfertigungsgnade, die uns zu Kindern Gottes macht. In der Rechtfertigung empfangen die Gerechtfertigten von Christus Glaube, Hoffnung und Liebe und werden so in die Gemeinschaft mit ihm aufgenommen.14 Dieses neue personale Verhältnis zu Gott gründet ganz und gar in der Gnädigkeit Gottes und bleibt stets vom heilsschöpferischen Wirken des gnädigen Gottes abhängig, der sich selbst treu bleibt und auf den der Mensch sich darum verlassen kann. Deshalb wird die Rechtfertigungsgnade nie Besitz des Menschen, auf den er sich Gott gegenüber berufen könnte. Wenn nach katholischem Verständnis die Erneuerung des Lebens durch die Rechtfertigungsgnade betont wird, so ist diese Erneuerung in Glaube, Hoffnung und Liebe immer auf die grundlose Gnade Gottes angewiesen und leistet keinen Beitrag zur Rechtfertigung, dessen wir uns vor Gott rühmen könnten (Röm 3,27) [vgl. Quellen zu Kap. 4.3.].
4.4 Das Sündersein des Gerechtfertigten
(28) Wir bekennen gemeinsam, daß der Heilige Geist in der Taufe den Menschen mit Christus vereint, rechtfertigt und ihn wirklich erneuert. Und doch bleibt der Gerechtfertigte zeitlebens und unablässig auf die bedingungslos rechtfertigende Gnade Gottes angewiesen. Auch er ist der immer noch andrängenden Macht und dem Zugriff der Sünde nicht entzogen (vgl. Röm 6,12-14) und des lebenslangen Kampfes gegen die Gottwidrigkeit des selbstsüchtigen Begehrens des alten Menschen nicht enthoben (vgl. Gal 5,16; Röm 7,7.10). Auch der Gerechtfertigte muß wie im Vaterunser täglich Gott um Vergebung bitten (Mt 6,12; 1 Joh 1,9), er ist immer wieder zu Umkehr und Buße gerufen, und ihm wird immer wieder die Vergebung gewährt.
(29) Das verstehen Lutheraner in dem Sinne, daß der Christ „zugleich Gerechter und Sünder" ist: Er ist ganz gerecht, weil Gott ihm durch Wort und Sakrament seine Sünde vergibt und die Gerechtigkeit Christi zuspricht, die ihm im Glauben zu eigen wird und ihn in Christus vor Gott zum Gerechten macht. Im Blick- auf sich selbst aber erkennt er durch das Gesetz, daß er zugleich ganz Sünder bleibt, daß die Sünde noch in ihm wohnt (1 Joh 1,8; Röm 7,17.20); denn er vertraut immer wieder auf falsche Götter und liebt Gott nicht mit jener ungeteilten Liebe, die Gott als sein Schöpfer von ihm fordert (Dtn 6,5; Mt 22,36-40 parr.). Diese Gottwidrigkeit ist als solche wahrhaft Sünde. Doch die knechtende Macht der Sünde ist aufgrund von Christi Verdienst gebrochen: Sie ist keine den Christen „beherrschende" Sünde mehr, weil sie durch Christus „beherrscht" ist, mit dem der Gerechtfertigte im Glauben verbunden ist; so kann der Christ, solange er auf Erden lebt, jedenfalls stückweise ein Leben in Gerechtigkeit führen. Und trotz der Sünde ist der Christ nicht mehr von Gott getrennt, weil ihm, der durch die Taufe und den Heiligen Geist neugeboren ist, in täglicher Rückkehr zur Taufe die Sünde vergeben wird, so daß seine Sünde ihn nicht mehr verdammt und ihm nicht mehr den ewigen Tod bringt.15 Wenn also die Lutheraner sagen, daß der Gerechtfertigte auch Sünder und seine Gottwidrigkeit wahrhaft Sünde ist, verneinen sie nicht, daß er trotz der Sünde in Christus von Gott ungetrennt und seine Sünde beherrschte Sünde ist. Im letzteren sind sie mit der römisch-katholischen Seite trotz der Unterschiede im Verständnis der Sünde des Gerechtfertigten einig.
(30) Die Katholiken sind der Auffassung, daß die Gnade Jesu Christi, die in der Taufe verliehen wird, alles was „wirklich" Sünde, was „verdammenswürdig" ist, tilgt (Röm 8,116), daß jedoch eine aus der Sünde kommende und zur Sünde drängende Neigung (Konkupiszenz) im Menschen verbleibt. Insofern nach katholischer Überzeugung zum Zustandekommen menschlicher Sünden ein personales Element gehört, sehen sie bei dessen Fehlen die gottwidrige Neigung nicht als Sünde im eigentlichen Sinne an. Damit wollen sie nicht leugnen, daß diese Neigung nicht dem ursprünglichen Plan Gottes vom Menschen entspricht, noch, daß sie objektiv Gottwidrigkeit und Gegenstand lebenslangen Kampfes ist; in Dankbarkeit für die Erlösung durch Christus wollen sie herausstellen, daß die gottwidrige Neigung nicht die Strafe des ewigen Todes verdient17 und den Gerechtfertigten nicht von Gott trennt. Wenn der Gerechtfertigte sich aber willentlich von Gott trennt, genügt nicht eine erneute Beobachtung der Gebote, sondern er muß im Sakrament der Versöhnung Verzeihung und Frieden empfangen durch das Wort der Vergebung, das ihm Kraft des Versöhnungswerkes Gottes in Christus gewährt wird [vgl. Quellen zu Kap. 4.4.].
4.5 Gesetz und Evangelium
(31) Wir bekennen gemeinsam, daß der Mensch im Glauben an das Evangelium „unabhängig von Werken des Gesetzes" (Röm 3,28) gerechtfertigt wird. Christus hat das Gesetz erfüllt und es durch seinen Tod und seine Auferstehung als Weg zum Heil überwunden. Wir bekennen zugleich, daß die Gebote Gottes für den Gerechtfertigten in Geltung bleiben und daß Christus in seinem Wort und Leben den Willen Gottes, der auch für den Gerechtfertigten Richtschnur seines Handelns ist, zum Ausdruck bringt.
(32) Die Lutheraner verweisen darauf, daß die Unterscheidung und richtige Zuordnung von Gesetz und Evangelium wesentlich ist für das Verständnis der Rechtfertigung. Das Gesetz in seinem theologischen Gebrauch ist Forderung und Anklage, unter der jeder Mensch, auch der Christ, insofern er Sünder ist, zeitlebens steht und das seine Sünde aufdeckt, damit er sich im Glauben an das Evangelium ganz der Barmherzigkeit Gottes in Christus zuwendet, die allein ihn rechtfertigt.
(33) Weil das Gesetz als Heilsweg durch das Evangelium erfüllt und überwunden ist, können Katholiken sagen, daß Christus nicht ein Gesetzgeber im Sinne von Mose ist. Wenn Katholiken betonen, daß der Gerechtfertigte zur Beobachtung der Gebote Gottes gehalten ist, so verneinen sie damit nicht, daß die Gnade des ewigen Lebens den Kindern Gottes durch Jesus Christus erbarmungsvoll Verheißen ist18 [vgl. Quellen zu Kap. 4.5.].
4.6 Heilsgewißheit
(34) Wir bekennen gemeinsam, daß die Gläubigen sich auf die Barmherzigkeit und die Verheißungen Gottes verlassen können. Auch angesichts ihrer eigenen Schwachheit und mannigfacher Bedrohung ihres Glaubens können sie kraft des Todes und der Auferstehung Christi auf die wirksame Zusage der Gnade Gottes in Wort und Sakrament bauen und so dieser Gnade gewiß sein.
(35) Dies ist in besonderer Weise von den Reformatoren betont worden: In der Anfechtung soll der Gläubige nicht auf sich, sondern ganz auf Christus blicken und ihm allein vertrauen. So ist er im Vertrauen auf Gottes Zusage seines Heils gewiß, wenngleich auf sich schauend niemals sicher.
(36) Katholiken können das Anliegen der Reformatoren teilen, den Glauben auf die objektive Wirklichkeit der Verheißung Christi zu gründen, von der eigenen Erfahrung abzusehen, und allein auf Christi Verheißungswort zu vertrauen (vgl. Mt 16,19; 18,18). Mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil sagen Katholiken: Glauben heißt, sich selbst ganz Gott anvertrauen,19 der uns aus der Finsternis der Sünde und des Todes befreit und zum ewigen Leben erweckt.20 Man kann nicht in diesem Sinn an Gott glauben und zugleich dessen Verheißungswort für nicht verläßlich halten. Keiner darf an Gottes Barmherzigkeit und an Christi Verdienst zweifeln. Aber jeder kann in Sorge um sein Heil sein, wenn er auf seine eigenen Schwächen und Mängel schaut. In allem Wissen um sein eigenes Versagen darf der Glaubende dessen gewiß sein, daß Gott sein Heil will [vgl. Quellen zu Kap. 4.6.].
4.7 Die guten Werke des Gerechtfertigten
(37) Wir bekennen gemeinsam, daß gute Werke – ein christliches Leben in Glaube, Hoffnung und Liebe – der Rechtfertigung folgen und Früchte der Rechtfertigung sind. Wenn der Gerechtfertigte in Christus lebt und in der empfangenen Gnade wirkt, bringt er, biblisch gesprochen, gute Frucht. Diese Folge der Rechtfertigung ist für den Christen, insofern er zeitlebens gegen die Sünde kämpft, zugleich eine Verpflichtung, die er zu erfüllen hat; deshalb ermahnen Jesus und die apostolischen Schriften den Christen, Werke der Liebe zu vollbringen.
(38) Nach katholischer Auffassung tragen die guten Werke, die von der Gnade und dem Wirken des Heiligen Geistes erfüllt sind, so zu einem Wachstum in der Gnade bei, daß die von Gott empfangene Gerechtigkeit bewahrt und die Gemeinschaft mit Christus vertieft werden. Wenn Katholiken an der „Verdienstlichkeit" der guten Werke festhalten, so wollen sie sagen, daß diesen Werken nach dem biblischen Zeugnis ein Lohn im Himmel verheißen ist. Sie wollen die Verantwortung des Menschen für sein Handeln herausstellen, damit aber nicht den Geschenkcharakter der guten Werke bestreiten, geschweige denn verneinen, daß die Rechtfertigung selbst stets unverdientes Gnadengeschenk bleibt.
(39) Auch bei den Lutheranern gibt es den Gedanken eines Bewahrens der Gnade und eines Wachstums in Gnade und Glauben. Sie betonen allerdings, daß die Gerechtigkeit als Annahme durch Gott und als Teilhabe an der Gerechtigkeit Christi immer vollkommen ist, sagen aber zugleich, daß ihre Auswirkung im christlichen Leben wachsen kann. Wenn sie die guten Werke des Christen als „Früchte" und „Zeichen" der Rechtfertigung, nicht als eigene „Verdienste" betrachten, so verstehen sie gleichwohl das ewige Leben gemäß dem Neuen Testament als unverdienten „Lohn" im Sinn der Erfüllung von Gottes Zusage an die Glaubenden. [vgl. Quellen zu Kap. 4.7.].
5. Die Bedeutung und Tragweite des
erreichten Konsenses
(40) Das in dieser Erklärung dargelegte Verständnis der Rechtfertigungslehre zeigt, daß zwischen Lutheranern und Katholiken ein Konsens in Grundwahrheiten der Rechtfertigungslehre besteht, in dessen Licht die in Nr. 18 bis 39 beschriebenen, verbleibenden Unterschiede in der Sprache, der theologischen Ausgestaltung und der Akzentsetzung des Rechtfertigungsverständnisses tragbar sind. Deshalb sind die lutherische und die römisch-katholische Entfaltung des Rechtfertigungsglaubens in ihrer Verschiedenheit offen aufeinander hin und heben den Konsens in den Grundwahrheiten nicht wieder auf.
(41) Damit erscheinen auch die Lehrverurteilungen des 16. Jahrhunderts, soweit sie sich auf die Lehre von der Rechtfertigung beziehen, in einem neuen Licht: Die in dieser Erklärung vorgelegte Lehre der lutherischen Kirchen wird nicht von den Verurteilungen des Trienter Konzils getroffen. Die Verwerfungen der lutherischen Bekenntnisschriften treffen nicht die in dieser Erklärung vorgelegte Lehre der römisch-katholischen Kirche.
(42) Dadurch wird den auf die Rechtfertigungslehre bezogenen Lehrverurteilungen nichts von ihrem Ernst genommen. Etliche waren nicht einfach gegenstandslos; sie behalten für uns „die Bedeutung von heilsamen Warnungen", die wir in Lehre und Praxis zu beachten haben.21
(43) Unser Konsens in Grundwahrheiten der Rechtfertigungslehre muß sich im Leben und in der Lehre der Kirchen auswirken und bewähren. Im Blick darauf gibt es noch Fragen von unterschiedlichem Gewicht, die weiterer Klärung bedürfen: sie betreffen unter anderem das Verhältnis von Wort Gottes und kirchlicher Lehre sowie die Lehre von der Kirche, von der Autorität in ihr, von ihrer Einheit, vom Amt und von den Sakramenten, schließlich von der Beziehung zwischen Rechtfertigung und Sozialethik. Wir sind der Überzeugung, daß das erreichte gemeinsame Verständnis eine tragfähige Grundlage für eine solche Klärung bietet. Die lutherischen Kirchen und die römisch-katholische Kirche werden sich weiterhin bemühen, das gemeinsame Verständnis zu vertiefen und es in der kirchlichen Lehre und im kirchlichen Leben fruchtbar werden zu lassen.
(44) Wir sagen dem Herrn Dank für diesen entscheidenden Schritt zur Überwindung der Kirchenspaltung. Wir bitten den Heiligen Geist, uns zu jener sichtbaren Einheit weiterzuführen, die der Wille Christi ist.
(Es folgt hier ein Anhang mit der Überschrift „Quellen zur Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre" zu finden in: Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Einig im Verständnis der Rechtfertigungsbotschaft? Erfahrungen und Lehren im Blick auf die gegenwärtige ökumenische Situation, 21. September 1998 = VDBK 19, hg. v. Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz [Bonn 1998] 50-58.)
Endnoten:
1 Schmalkaldische Artikel II,1 (Die Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kirche, 3. Aufl. [Göttingen 1956] 415).
2 „Rector et iudex super omnia genera doctrinarum" (Weimarer Ausgabe von Luthers Werken, 39,I,205).
3 Es sei darauf hingewiesen, daß eine Reihe von lutherischen Kirchen nur die Confessio Augustana und Luthers Kleinen Katechismus zu ihren verbindlichen Lehrgrundlagen rechnen. Diese Bekenntnisschriften enthalten keine die Rechtfertigungslehre betreffenden Lehrverurteilungen gegenüber der römisch-katholischen Kirche.
4 Bericht der Evangelisch-lutherisch/Römisch-katholischen Studienkommission „Das Evangelium und die Kirche", 1972 („Malta-Bericht"): Dokumente wachsender Übereinstimmung [= DwÜ]. Sämtliche Berichte und Konsenstexte interkonfessioneller Gespräche auf Weltebene. Bd. I. 1931-1982, hg. v. H. Meyer u.a. (Paderborn-Frankfurt 21991) 248-271.
5 Gemeinsame Römisch-katholische/Evangelisch-lutherische Kommission (Hg.), Kirche und Rechtfertigung. Das Verständnis der Kirche im Licht der Rechtfertigungslehre (Paderborn-Frankfurt 1994).
6 Lutherisch/Römisch-Katholischer Dialog in den USA: Rechtfertigung durch den Glauben (1983): Rechtfertigung im ökumenischen Dialog. Dokumente und Einführung, hg. v. H. Meyer u. G. Gaßmann = ÖkPer 12 (Frankfurt 1987) 107-200.
7 Lehrverurteilungen – kirchentrennend? I. Rechtfertigung, Sakramente und Amt im Zeitalter der Reformation und heute = DiKi 4, hg. v. K. Lehmann u. W. Pannenberg (Freiburg-Göttingen 31988).
8 Gemeinsame Stellungnahme der Arnoldshainer Konferenz, der Vereinigten Evangelischen-Lutherischen Kirche Deutschlands und des Deutschen Nationalkomitees des Lutherischen Weltbundes zum Dokument ‘Lehrverurteilungen – kirchentrennend?’: ÖR 44 (1995) 99-102; einschließlich der diesem Beschluß zugrundeliegenden Stellungnahmen, vgl. Lehrverurteilungen im Gespräch. Die ersten offiziellen Stellungnahmen aus der evangelischen Kirche in Deutschland (Göttingen 1993).
9 In dieser Erklärung gibt das Wort „Kirche" das jeweilige Selbstverständnis der beteiligten Kirchen wieder, ohne alle damit verbundenen ekklesiologischen Fragen entscheiden zu wollen.
10 Vgl. Malta-Bericht Nr. 26-30; Rechtfertigung durch den Glauben Nr. 122-147. Die nichtpaulinischen neutestamentlichen Zeugnisse wurden im Auftrag des US-Dialogs „Rechtfertigung durch den Glauben" untersucht von J. Reumann: Righteousness in the New Testament, mit Antworten von J. Fitzmeyer und J.D. Quinn (Philadelphia, New York 1982) 124-180. Die Ergebnisse dieser Studie wurden im Dialogbericht „Rechtfertigung durch den Glauben" in den Nr. 139-142 zusammengefaßt.
11 Vgl. Alle unter einem Christus, Nr. 14: DwÜ I, 323-328.
12 Vgl. WA 8, 106.
13 Vgl. DS 1528.
14 Vgl. DS 1530.
15 Vgl. Apol. II,38-45.
16 Vgl. DS 1515.
17 Vgl. DS 1515.
18 Vgl. DS 1545.
19 Vgl. DV 5.
20 Vgl. DV 4.
21 Lehrverurteilungen – kirchentrennend?, 32.
Quellen zur
Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre
In den Teilen 3 und 4 der „Gemeinsamen Erklärung" wird auf Formulierungen aus verschiedenen lutherisch/katholischen Dialogen zurückgegriffen. Im einzelnen handelt es sich um folgende Dokumente:
Alle unter einem Christus, Stellungnahme der Gemeinsamen Römisch-katholischen/Evangelisch-lutherischen Kommission zum Augsburgischen Bekenntnis, 1980: Dokumente wachsender Übereinstimmung. Sämtliche Berichte und Konsenstexte interkonfessioneller Gespräche auf Weltebene. Bd. I. 1931-1982, hg. v. H. Meyer u.a. (Paderborn-Frankfurt 21991) 323-328.
Denzinger-Schönmetzer, Enchiridion symbolorum ... 32. bis 36. Auflage [zit.: DS].
Denzinger-Hünermann, Enchiridion symbolorum ... seit der 37. Auflage, zweisprachig [zit.: DH].
Gutachten des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen zur Studie Lehrverurteilungen – kirchentrennend? (Vatikan 1992), unveröffentlicht [zit.: Gutachten].
Justification by Faith. Lutherans and Catholics in Dialogue VII (Minneapolis 1985). Deutsch: Lutherisch/Römisch-katholischer Dialog in den USA. Rechtfertigung durch den Glauben: Rechtfertigung im ökumenischen Dialog. Dokumente und Einführung, hg. v. H. Meyer u. G. Gaßmann = ÖkPer 12 (Frankfurt 1987) 107-200 [zit.: USA].
Lehrverurteilungen – kirchentrennend? I. Rechtfertigung, Sakramente und Amt im Zeitalter der Reformation und heute = DiKi 4, hg. v. K. Lehmann u. W. Pannenberg (Freiburg 31988) [zit.: LV].
Stellungnahme des Gemeinsamen Ausschusses der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands und des Deutschen Nationalkomitees des Lutherischen Weltbundes zum Dokument „Lehrverurteilungen – kirchentrennend?" (13. September 1991): Lehrverurteilungen im Gespräch. Die ersten offiziellen Stellungnahmen aus den evangelischen Kirchen in Deutschland, hg. v. der Geschäftsstelle der Arnoldshainer Konferenz (AKf), dem Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und dem Lutherischen Kirchenamt der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD) (Göttingen 1993) 57-160 [zit.: VELKD].
zu 3: Das gemeinsame Verständnis der Rechtfertigung, Abschnitte 17 und 18: vgl. insbesondere LV 75; VELKD 95.
– „... ein auf den Glauben zentriertes und forensisch verstandenes Bild von der Rechtfertigung ist für Paulus, und in gewissem Sinne für die Bibel insgesamt, von entscheidender Bedeutung, wenn dies auch keinesfalls die einzige biblische oder paulinische Weise ist, das Heilswerk Gottes darzustellen" (USA Nr. 146).
– „Katholiken wie Lutheraner können die Notwendigkeit anerkennen, die Praxis, die Strukturen und die Theologien der Kirche daran zu messen, inwieweit sie ‘die Verkündigung der freien und gnädigen Verheißungen Gottes in Christus Jesus, die allein durch den Glauben recht empfangen werden können’ (Nr. 28), fördern oder hindern" (USA Nr. 153).
Von der „grundlegenden Affirmation" (USA Nr. 157; vgl. Nr. 4) heißt es:
– „Diese Affirmation dient wie die reformatorische Lehre von der Rechtfertigung allein durch den Glauben als Kriterium, an dem alle kirchlichen Bräuche, Strukturen und Traditionen gemessen werden, gerade weil die Entsprechung dazu das ‘solus Christus’, allein Christus, ist. Ihm allein ist letztlich zu vertrauen als dem einen Mittler, durch den Gott im Heiligen Geist seine rettenden Gaben ausgießt. Alle an diesem Dialog Beteiligten bekräftigen, daß alle christliche Lehre und Praxis und alle christlichen Ämter in einer Weise wirksam sein sollten, daß sie ‘den Gehorsam des Glaubens’ (Röm 1,5) an Gottes Heilshandeln in Christus Jesus allein, durch den Heiligen Geist, für das Heil der Gläubigen und zu Lob und Ehre des himmlischen Vaters fördern" (USA Nr. 160).
– „Darum behält die Rechtfertigungslehre und vor allem ihr biblischer Grund in der Kirche für immer eine spezifische Funktion: im Bewußtsein der Christen zu halten, daß wir Sünder allein aus der vergebenden Liebe Gottes leben, die wir uns nur schenken lassen, aber auf keine Weise, wie abgeschwächt auch immer, ‘verdienen’ oder an von uns zu erbringende Vor- oder Nachbedingungen binden können. Die ‘Rechtfertigungslehre’ wird damit zum kritischen Maßstab, an dem sich jederzeit überprüfen lassen muß, ob eine konkrete Interpretation unseres Gottesverhältnisses den Namen ‘christlich’ beanspruchen kann. Sie wird zugleich zum kritischen Maßstab für die Kirche, an dem sich jederzeit überprüfen lassen muß, ob ihre Verkündigung und ihre Praxis dem, was ihr von ihrem Herrn vorgegeben ist, entspricht" (LV 75,21-31).
– „Eine Einigung darin, daß die Rechtfertigungslehre ihre Bedeutung nicht nur als besondere Teillehre im Ganzen der Glaubenslehre unserer Kirchen hat, sondern daß ihr darüber hinaus eine Bedeutung als kritischer Maßstab für Lehre und Praxis unserer Kirchen insgesamt zukommt, ist aus lutherischer Sicht ein fundamentaler Fortschritt im ökumenischen Dialog zwischen unseren Kirchen, der nicht genug zu begrüßen ist" (VELKD 95,20-26; vgl. 157).
– „Zwar hat die Rechtfertigungslehre bei Lutheranern und Katholiken einen unterschiedlichen Stellenwert innerhalb der ‘hierarchia veritatum’; doch stimmen beide Seiten darin überein, daß die Rechtfertigungslehre ihre spezifische Funktion darin hat, ein kritischer Maßstab zu sein, ‘an dem sich jederzeit überprüfen lassen muß, ob eine konkrete Interpretation unseres Gottesverhältnisses den Namen ‘christlich’ beanspruchen kann. Sie wird zugleich zum kritischen Maßstab für die Kirche, an dem sich jederzeit überprüfen lassen muß, ob ihre Verkündigung und ihre Praxis dem, was ihr von ihrem Herrn vorgegeben ist, entspricht.’ Die kriteriologische Bedeutung der Rechtfertigungslehre für die Sakramentenlehre, die Ekklesiologie sowie für den ethischen Bereich bedarf allerdings noch vertiefter Studien" (Gutachten 106f.).
zu 4.1: Unvermögen und Sünde des Menschen angesichts der Rechtfertigung, Abschnitte 19-21: vgl. insbesondere LV 48ff.; 53; VELKD 77-81; 83f.
– „Diejenigen, in denen die Sünde herrscht, können nichts tun, um die Rechtfertigung zu verdienen, die ein freies Geschenk der Gnade Gottes ist. Selbst die Anfänge der Rechtfertigung, z.B. Reue, das Gebet um Gnade und das Verlangen nach Vergebung, müssen Gottes Werk in uns sein" (USA Nr. 156,3).
– „Beiden geht es ... nicht ... darum, ein wahrhaftes Beteiligtsein des Menschen zu leugnen! ... eine Antwort ist kein ‘Werk’. Die Antwort des Glaubens ist selbst erwirkt durch das unerzwingbare und von außen auf den Menschen zukommende Wort der Verheißung. ‘Mitwirkung’ kann es nur in dem Sinne geben, daß das Herz beim Glauben dabei ist, wenn das Wort es trifft und den Glauben schafft" (LV 53,12-22).
– „Nur wenn die lutherische Lehre die Beziehung Gottes zu seinem Geschöpf bei der Rechtfertigung jedoch mit solcher Betonung auf den göttlichen Monergismus oder die Alleinwirksamkeit Christi konstruiert, daß die freiwillige Annahme von Gottes Gnade, die selbst ein Geschenk Gottes ist, keine wesentliche Rolle bei der Rechtfertigung spielt, dann kennzeichnen die Trienter Canones 4, 5, 6 und 9 noch einen beachtlichen Lehrunterschied bezüglich Rechtfertigung" (Gutachten 25).
– „... das strikte Betonen der Passivität des Menschen bei seiner Rechtfertigung hatte auf lutherischer Seite niemals den Sinn, etwa das volle personale Beteiligtsein des Menschen im Glauben zu bestreiten, sondern sollte lediglich jede Mitwirkung beim Geschehen der Rechtfertigung selbst ausschließen. Diese ist allein das Werk Christi, allein das Werk der Gnade" (VELKD 84,3-8).
zu 4.2: Rechtfertigung als Sündenvergebung und Gerechtmachung, Abschnitte 22-24: vgl. insbesondere USA Nr. 98-101; LV 53ff.; VELKD 84ff.; vgl. auch die Zitate zu 4.3.
– „Durch die Rechtfertigung werden wir zugleich gerecht erklärt und gerecht gemacht. Rechtfertigung ist darum keine rechtliche Fiktion. Indem er rechtfertigt, bewirkt Gott, was er verheißt; er vergibt Sünden und macht uns wahrhaft gerecht" (USA Nr. 156,5).
– „... daß die reformatorische Theologie nicht übersieht, was die katholische Lehre hervorhebt: den schöpferischen und erneuernden Charakter der Liebe Gottes; und nicht behauptet ...: die Ohnmacht Gottes gegenüber einer Sünde, die bei der Rechtfertigung ‘nur’ vergeben, nicht aber in ihrer von Gott trennenden Macht wahrhaft aufgehoben werde" (LV 55,25-29).
– „... diese [= die lutherische Lehre] hat nie die ‘Anrechnung der Gerechtigkeit Christi’ als wirkungslos im Leben des Glaubenden verstanden, weil Christi Wort wirkt, was es sagt. Entsprechend versteht sie die Gnade als Gottes Gunst, aber diese durchaus als wirksame Kraft ... denn ‘wo Vergebung der Sünden ist, da ist auch Leben und Seligkeit’" (VELKD 86,15-23).
– ... daß die katholische Lehre nicht übersieht, was die evangelische Theologie hervorhebt: den personalen und worthaften Charakter der Gnade; und nicht behauptet ...: die Gnade als dinghaften, verfügbaren ‘Besitz’ des Menschen, und wäre er auch geschenkter Besitz" (LV 55,21-24).
zu 4.3: Rechtfertigung durch Glauben und aus Gnade, Abschnitte 25-27: vgl. insbesondere USA Nr. 105ff.; LV 56-59; VELKD 87-90.
– „Übersetzt man von einer Sprache in die andere, dann entspricht einerseits die reformatorische Rede von der Rechtfertigung durch den Glauben der katholischen Rede von der Rechtfertigung durch die Gnade, und dann begreift anderseits die reformatorische Lehre unter dem einen Wort ‘Glaube’ der Sache nach, was die katholische Lehre im Anschluß an 1 Kor 13,13 in der Dreiheit von ‘Glaube, Hoffnung und Liebe’ zusammenfaßt" (LV 59,4-10).
– „Zugleich betonen wir, daß der Glaube im Sinne des ersten Gebotes immer auch Liebe zu Gott und Hoffnung auf ihn ist und sich in der Liebe zum Nächsten auswirkt" (VELKD 89,8-11).
– „Katholiken ... – wie die Lutheraner – lehren, daß nichts, was dem freien Geschenk des Glaubens vorausgeht, die Rechtfertigung verdient und daß alle heilbringenden Gaben Gottes durch Christus allein geschenkt werden" (USA Nr. 105).
– „Die Reformatoren ... verstehen ... den Glauben als die durch das Verheißungswort selbst ... gewirkte Vergebung und Gemeinschaft mit Christus. Das ist der Grund für das neue Sein, durch das das Fleisch der Sünde tot ist und der neue Mensch in Christus (‘sola fide per Christum’) sein Leben hat. Aber auch wenn ein solcher Glaube den Menschen notwendig neu macht, so baut der Christ seine Zuversicht nicht auf sein neues Leben, sondern allein auf die Gnadenzusage Gottes. Ihre Annahme im Glauben reicht aus, wenn ‘Glaube’ als ‘Vertrauen auf die Verheißung’ (fides promissionis) verstanden wird" (LV 56,18-26).
– Vgl. Tridentinum sess. 6 cap. 7: „... Daher erhält der Mensch in der Rechtfertigung selbst zusammen mit der Vergebung der Sünden durch Jesus Christus, dem er eingegliedert wird, zugleich alles dies eingegossen: Glaube, Hoffnung und Liebe" (DH 1530).
– „Nach evangelischem Verständnis reicht der Glaube, der sich an Gottes Verheißung in Wort und Sakrament bedingungslos festklammert, zur Gerechtigkeit vor Gott aus, so daß die Erneuerung der Menschen, ohne die kein Glaube sein kann, nicht ihrerseits zur Rechtfertigung einen Beitrag leistet" (LV 59,19-23).
– „Als Lutheraner halten wir fest an der Unterscheidung von Rechtfertigung und Heiligung, von Glaube und Werken, die jedoch keine Scheidung bedeutet" (VELKD 89,6-8).
– „Die katholische Lehre weiß sich mit dem reformatorischen Anliegen einig, daß die Erneuerung des Menschen keinen ‘Beitrag’ zur Rechtfertigung leistet, schon gar nicht einen, auf den er sich vor Gott berufen könnte ... Dennoch sieht sie sich genötigt, die Erneuerung des Menschen durch die Rechtfertigungsgnade um des Bekenntnisses zur neuschaffenden Macht Gottes willen zu betonen, freilich so, daß diese Erneuerung in Glaube, Hoffnung und Liebe nichts als Antwort auf die grundlose Gnade Gottes ist" (LV 59,23-30).
– „Sofern die katholische Lehre betont, daß die Gnade personal und worthaft zu verstehen ist ... daß die Erneuerung nichts als – von Gottes Wort selbst erwirkte ... – Antwort ... ist und daß die Erneuerung des Menschen keinen Beitrag zur Rechtfertigung leistet, schon gar nicht einen, auf den wir uns vor Gott berufen könnten ... wird sie von unserem Widerspruch ... nicht mehr getroffen (VELKD 89,12-21).
zu 4.4: Das Sündersein des Gerechtfertigten, Abschnitte 28-30: vgl. insbesondere USA Nr. 102ff.; LV 50-53; VELKD 81ff.
– „... wie gerecht und heilig sie [= die Gerechtfertigten] auch immer sein mögen, sie verfallen von Zeit zu Zeit in die Sünden des täglichen Daseins. Noch mehr, das Wirken des Heiligen Geistes enthebt die Gläubigen nicht des lebenslangen Kampfes gegen sündhafte Neigungen. Die Begierde und andere Auswirkungen der Erbsünde und der persönlichen Sünde bleiben nach katholischer Lehre im Gerechtfertigten, der darum täglich zu Gott um Vergebung beten muß" (USA Nr. 102).
– „Die Trienter und die reformatorische Lehre stimmen darin überein, daß die Erbsünde und auch noch die verbliebene Konkupiszenz Gottwidrigkeit sind ... Gegenstand des lebenslangen Kampfes gegen die Sünde ... daß beim Gerechtfertigten, nach der Taufe, die Konkupiszenz den Menschen nicht mehr von Gott trennt, also, tridentinisch gesprochen: nicht mehr ‘im eigentlichen Sinne Sünde’ ist, lutherisch gesprochen: ‘peccatum regnatum’ (beherrschte Sünde)" (LV 52,14-24).
– „... geht es ... um die Frage, in welcher Weise beim Gerechtfertigten von Sünde gesprochen werden kann, ohne die Wirklichkeit des Heils einzuschränken. Während die lutherische Seite diese Spannung mit der Wendung ‘beherrschte Sünde’ (peccatum regnatum) zum Ausdruck bringt, die die Lehre vom Christen als ‘Gerechtem und Sünder zugleich’ (simul iustus et peccator) voraussetzt, meinte die römische Seite die Wirklichkeit des Heils nur so festhalten zu können, daß sie den Sündencharakter der Konkupiszenz bestritt. Im Blick auf diese Sachfrage bedeutet es eine erhebliche Annäherung, wenn LV die im Gerechtfertigten verbliebene Konkupiszenz als ‘Gottwidrigkeit’ bezeichnet und sie damit als Sünde qualifiziert" (VELKD 82,28-39).
zu 4.5: Gesetz und Evangelium, Abschnitte 31-33:
– Nach der paulinischen Lehre handelt es sich hier um den Weg des jüdischen Gesetzes als Heilsweg. Dieser ist in Christus erfüllt und überwunden. Insofern ist diese Aussage und die Konsequenz daraus zu verstehen.
– In bezug auf die Canones 19f. des Tridentinum äußert sich die VELKD (89,28-37): „Die Zehn Gebote gelten selbstverständlich für den Christen, wie an vielen Stellen der Bekenntnisschriften ausgeführt ist ... Wenn in Canon 20 betont wird, daß der Mensch zum Halten der Gebote Gottes verpflichtet ist, werden wir nicht getroffen; wenn Canon 20 aber behauptet, daß der Glaube nur unter der Bedingung des Haltens der Gebote selig machende Kraft hat, werden wir getroffen. Was die Rede des Canons von den Geboten der Kirche betrifft, so liegt hier kein Gegensatz, wenn diese Gebote nur die Gebote Gottes zur Geltung bringen; im andern Fall würden wir getroffen."
zu 4.6: Heilsgewißheit, Abschnitte 34-36: vgl. insbesondere LV 59-63; VELKD 90ff.
– „Die Frage ist, wie der Mensch trotz und mit seiner Schwachheit vor Gott leben kann und darf" (LV 60,5f.).
– „... Grundlage und Ausgangspunkt [der Reformatoren] ... sind: die Verläßlichkeit und Allgenügsamkeit der Verheißung Gottes und der Kraft des Todes und der Auferstehung Christi, die menschliche Schwachheit und die damit gegebene Bedrohung des Glaubens und des Heils" (LV 62,16-20).
– Auch Trient betont, es sei notwendig zu glauben, „daß Sünden nur umsonst [= d.h. ohne eigenes Verdienst], allein durch die göttliche Barmherzigkeit um Christi willen vergeben werden und immer vergeben wurden" (DH 1533) und daß man nicht zweifeln darf „an der Barmherzigkeit Gottes, am Verdienst Christi und an der Kraft und Wirksamkeit der Sakramente" (DH 1534); Zweifel und Unsicherheit seien nur im Blick auf sich selbst angebracht.
– „Luther und seine Anhänger gehen einen Schritt weiter. Sie halten dazu an, die Unsicherheit nicht nur zu ertragen, sondern von ihr wegzusehen und die objektive Geltung der ‘von außen’ kommenden Lossprechung im Bußsakrament konkret und persönlich ernst zu nehmen ... Da Jesus gesagt hat: ‘Was du auf Erden lösen wirst, das wird auch im Himmel gelöst sein’ (Mt 16,19), würde der Glaubende ... Christus zum Lügner erklären ... wenn er sich nicht felsenfest auf die in der Lossprechung zugesprochene Vergebung Gottes verließe ... Daß dieses Sich-Verlassen noch einmal subjektiv ungewiß sein kann, daß also Vergebungsgewißheit nicht Vergebungssicherheit (securitas) ist, weiß Luther ebenso wie seine Gegner – aber es darf sozusagen nicht noch einmal zum Problem gemacht werden: der Glaubende soll den Blick davon ab- und nur dem Vergebungswort Christi zuwenden" (LV 60,18-33).
– „Heute können Katholiken das Bemühen der Reformatoren anerkennen, den Glauben auf die objektive Wirklichkeit von Christi Verheißung zu gründen: ‘Was du auf Erden lösen wirst ...’ ... und die Gläubigen auf ein ausdrückliches Wort der Sündenvergebung auszurichten ... Luthers ursprüngliches Anliegen [ist nicht zu verurteilen], von der persönlichen Erfahrung abzusehen und allein auf Christus und sein Vergebungswort zu vertrauen" (Gutachten 27).
– Eine gegenseitige Verurteilung bezüglich des Verständnisses von Heilsgewißheit ist „zumal dann nicht [zu begründen], wenn man vom Boden eines biblisch erneuerten Glaubensbegriffs aus denkt ... Denn es kann zwar geschehen, daß ein Mensch den Glauben, die Selbstüberantwortung an Gott und sein Verheißungswort verliert oder aufgibt. Aber er kann nicht in diesem Sinne glauben und zugleich Gott in seinem Verheißungswort für unverläßlich halten. In diesem Sinne gilt mit den Worten Luthers auch heute: Glaube ist Heilsgewißheit" (LV 62,23-29).
– Zum Glaubensbegriff des Zweiten Vatikanischen Konzils vgl. DV 5: „Dem offenbarenden Gott ist der ‘Gehorsam des Glaubens’ ... zu leisten. Darin überantwortet sich der Mensch Gott als ganzer in Freiheit, in dem er sich ‘dem offenbarenden Gott mit Verstand und Willen voll unterwirft’ und seiner Offenbarung willig zustimmt."
– „Die lutherische Unterscheidung zwischen der Gewißheit (certitudo) des Glaubens, der allein auf Christus blickt, und der irdischen Sicherheit (securitas), die sich auf den Menschen stützt, ist in LV nicht deutlich genug aufgenommen worden. Die Frage, ob ein Christ ‘voll und ganz geglaubt hat’ (LV 60,17) stellt sich für das lutherische Verständnis nicht, da der Glaube nie auf sich selbst reflektiert, sondern ganz und gar an Gott hängt, dessen Gnade ihm durch Wort und Sakrament, also von außen (extra nos) zugeeignet wird" (VELKD 92,2-9).
zu 4.7: Die guten Werke des Gerechtfertigten, Abschnitte 37-39: vgl. insbesondere LV 72ff.; VELKD 92ff.
– „... schließt das Konzil jedes Verdienst der Gnade – also der Rechtfertigung – aus (can. 2: DS 1552) und begründet das Verdienst des ewigen Lebens im Geschenk der Gnade selbst durch Christusgliedschaft (can. 32: DS 1582): Als Geschenk sind die guten Werke ‘Verdienste’. Wo die Reformatoren ein ‘gottloses Vertrauen’ auf die eigenen Werke anprangern, schließt das Konzil ausdrücklich jeden Gedanken an Anspruch und falsche Sicherheit aus (cap. 16: DS 1548f.). Erkennbar ... will das Konzil an Augustinus anknüpfen, der den Verdienstbegriff einführt, um trotz des Geschenkcharakters der guten Werke die Verantwortlichkeit des Menschen auszusagen" (LV 73,9-18).
– Wenn man die Sprache der ‘Ursächlichkeit’ in Canon 24 personaler faßt, wie es im Kapitel 16 des Rechtfertigungsdekretes getan wird, wo der Gedanke der Gemeinschaft mit Christus tragend ist, dann wird man die katholische Verdienstlehre so umschreiben können, wie es im ersten Satz des zweiten Absatzes von 4.7 geschieht: Beitrag zum Wachstum der Gnade, der Bewahrung der von Gott empfangenen Gerechtigkeit und der Vertiefung der Christusgemeinschaft.
– „Viele Gegensätze könnten einfach dadurch überwunden werden, daß der mißverständliche Ausdruck ‘Verdienst’ im Zusammenhang mit dem wahren Sinn des biblischen Begriffs ‘Lohn’ gesehen und bedacht wird" (LV 74,7-9).
– „Die lutherischen Bekenntnisschriften betonen, daß der Gerechtfertigte dafür verantwortlich ist, die empfangene Gnade nicht zu verspielen, sondern in ihr zu leben ... So können die Bekenntnisschriften durchaus von einem Bewahren der Gnade und einem Wachstum in ihr sprechen ... Wird Canon 24 in diesem Sinne von der Gerechtigkeit, insofern sie sich in und am Menschen auswirkt, verstanden, dann werden wir nicht getroffen. Wird die ‘Gerechtigkeit’ in Canon 24 dagegen auf das Angenommensein des Christen vor Gott bezogen, werden wir getroffen; denn diese Gerechtigkeit ist immer vollkommen, ihr gegenüber sind die Werke des Christen nur ‘Früchte’ und ‘Zeichen’" (VELKD 94,2-14).
– „Was Canon 26 betrifft, so verweisen wir auf die Apologie, wo das ewige Leben als Lohn bezeichnet wird: ‘... Wir bekennen, daß das ewige Leben ein Lohn ist, weil es etwas Geschuldetes ist um der Verheißung willen, nicht um unserer Verdienste willen’" (VELKD 94,20-27).
GEMEINSAME OFFIZIELLE FESTSTELLUNG
des Lutherischen Weltbundes
und der Katholischen Kirche
vom 11. Juni 1999
1. Auf der Grundlage der in der Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre (GE) erreichten Übereinstimmungen erklären der Lutherische Weltbund und die Katholische Kirche gemeinsam: „Das in dieser Erklärung dargelegte Verständnis der Rechtfertigungslehre zeigt, daß zwischen Lutheranern und Katholiken ein Konsens in Grundwahrheiten der Rechtfertigungslehre besteht" (GE 40). Auf der Grundlage dieses Konsenses erklären der Lutherische Weltbund und die Katholische Kirche gemeinsam: „Die in dieser Erklärung vorgelegte Lehre der lutherischen Kirchen wird nicht von den Verurteilungen des Trienter Konzils getroffen. Die Verwerfungen der lutherischen Bekenntnisschriften treffen nicht die in dieser Erklärung vorgelegte Lehre der römisch-katholischen Kirche" (GE 41).
2. Im Blick auf den Beschluß des Rates des Lutherischen Weltbundes über die Gemeinsame Erklärung vom 16. Juni 1998 und die Antwort der Katholischen Kirche auf die Gemeinsame Erklärung vom 25. Juni 1998 sowie die von beiden Seiten vorgebrachten Anfragen wird in der (als „Anhang" bezeichneten) beigefügten Feststellung der in der Gemeinsamen Erklärung erreichte Konsens weiter erläutert; so wird klargestellt, daß die früheren gegenseitigen Lehrverurteilungen die Lehre der Dialogpartner, wie sie in der Gemeinsamen Erklärung dargelegt wird, nicht treffen.
3. Die beiden Dialogpartner verpflichten sich, das Studium der biblischen Grundlagen der Lehre von der Rechtfertigung fortzuführen und zu vertiefen. Sie werden sich außerdem auch über das hinaus, was in der Gemeinsamen Erklärung und in dem beigefügten erläuternden Anhang behandelt ist, um ein weiterreichendes gemeinsames Verständnis der Rechtfertigungslehre bemühen. Auf der Basis des erreichten Konsenses ist insbesondere zu denjenigen Fragen ein weiterer Dialog erforderlich, die in der Gemeinsamen Erklärung selbst (GE 43) besonders als einer weiteren Klärung bedürftig benannt werden, um zu voller Kirchengemeinschaft, zu einer Einheit in Verschiedenheit zu gelangen, in der verbleibende Unterschiede miteinander „versöhnt" würden und keine trennende Kraft mehr hätten. Lutheraner und Katholiken werden ihre Bemühungen ökumenisch fortsetzen, um in ihrem gemeinsamen Zeugnis die Rechtfertigungslehre in einer für den Menschen unserer Zeit relevanten Sprache auszulegen, unter Berücksichtigung der individuellen und der sozialen Anliegen unserer Zeit.
Durch diesen Akt der Unterzeichnung
bestätigen
die Katholische Kirche und der Lutherische Weltbund
die Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre
in ihrer Gesamtheit
ANHANG (ANNEX)
1. Die folgenden Erläuterungen unterstreichen die in der Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre (GE) erreichte Übereinstimmung in Grundwahrheiten der Rechtfertigungslehre; so wird klargestellt, daß die früheren wechselseitigen Verurteilungen die katholische und die lutherische Rechtfertigungslehre, wie sie in der Gemeinsamen Erklärung dargestellt sind, nicht treffen.
2. „Gemeinsam bekennen wir: Allein aus Gnade im Glauben an die Heilstat Christi, nicht aufgrund unseres Verdienstes, werden wir von Gott angenommen und empfangen den Heiligen Geist, der unsere Herzen erneuert und uns befähigt und aufruft zu guten Werken" (GE 15).
A) „Wir bekennen gemeinsam, daß Gott aus Gnade dem Menschen die Sünde vergibt und ihn zugleich in seinem Leben von der knechtenden Macht der Sünde befreit ..." (GE 22). Rechtfertigung ist Sündenvergebung und Gerechtmachung, in der Gott „das neue Leben in Christus schenkt" (GE 22). „Gerechtfertigt aus Glauben, haben wir Frieden mit Gott" (Röm 5,1). „Wir heißen Kinder Gottes, und wir sind es" (1 Joh 3,1). Wir sind wahrhaft und innerlich erneuert durch das Wirken des Heiligen Geistes und bleiben immer von seinem Wirken in uns abhängig. „Wenn jemand in Christus ist, dann ist er eine neue Schöpfung, das Alte ist vergangen, Neues ist geworden" (2 Kor 5,17). Die Gerechtfertigten bleiben in diesem Sinne nicht Sünder.
Doch wir würden irren, wenn wir sagten, daß wir ohne Sünde sind (1 Joh 1,8-10; vgl. GE 28). Wir „verfehlen uns in vielen Dingen" (Jak 3,2). „Wer bemerkt seine eigenen Fehler? Verzeihe mir meine verborgenen Sünden!" (Ps 19,13). Und wenn wir beten, können wir nur wie der Zöllner sagen: „Gott, sei mir Sünder gnädig!" (Lk 18,13). Unsere Liturgien geben dem vielfachen Ausdruck. Gemeinsam hören wir die Mahnung: „Daher soll die Sünde euren sterblichen Leib nicht mehr beherrschen, und seinen Begierden sollt ihr nicht gehorchen" (Röm 6,12). Dies erinnert uns an die beständige Gefährdung, die von der Macht der Sünde und ihrer Wirksamkeit im Christen ausgeht. Insoweit können Lutheraner und Katholiken gemeinsam den Christen als simul iustus et peccator verstehen, unbeschadet ihrer unterschiedlichen Zugänge zu diesem Themenbereich, wie dies in GE 29-30 entfaltet wurde.
B) Der Begriff „Konkupiszenz" wird auf katholischer und auf lutherischer Seite in unterschiedlicher Bedeutung gebraucht. In den lutherischen Bekenntnisschriften wird Konkupiszenz verstanden als Begehren des Menschen, durch das der Mensch sich selbst sucht und das im Lichte des geistlich verstandenen Gesetzes als Sünde angesehen wird. Nach katholischem Verständnis ist Konkupiszenz eine auch nach der Taufe im Menschen verbleibende, aus der Sünde kommende und zur Sünde drängende Neigung. Unbeschadet der hier eingeschlossenen Unterschiede kann aus lutherischer Sicht anerkannt werden, daß die Begierde zum Einfallstor der Sünde werden kann. Wegen der Macht der Sünde trägt der ganze Mensch die Neigung in sich, sich gegen Gott zu stellen. Diese Neigung entspricht nach lutherischem und katholischem Verständnis nicht „dem ursprünglichen Plan Gottes vom Menschen" (GE 30). Die Sünde hat personalen Charakter und führt als solche zur Trennung von Gott. Sie ist das selbstsüchtige Begehren des alten Menschen und mangelndes Vertrauen und mangelnde Liebe zu Gott.
Die Wirklichkeit des in der Taufe geschenkten Heils und die Gefährdung durch die Macht der Sünde können so zur Sprache kommen, daß einerseits die Vergebung der Sünden und die Erneuerung des Menschen in Christus durch die Taufe betont und andererseits gesehen wird, daß auch der Gerechtfertigte „der immer noch andrängenden Macht und dem Zugriff der Sünde nicht entzogen (vgl. Röm 6,12-14) und des lebenslangen Kampfes gegen die Gottwidrigkeit ... nicht enthoben" ist (GE 28).
C) Rechtfertigung geschieht „allein aus Gnade" (GE 15 und 16), allein durch Glauben, der Mensch wird „unabhängig von Werken" gerechtfertigt (Röm 3,28; vgl. GE 25). „Die Gnade ist es, die den Glauben schafft, nicht nur, wenn der Glaube neu im Menschen anfängt, sondern solange der Glaube währt" (Thomas von Aquin, S.Th. II/II 4,4 ad 3). Gottes Gnadenwirken schließt das Handeln des Menschen nicht aus: Gott wirkt alles, das Wollen und Vollbringen, daher sind wir aufgerufen, uns zu mühen (vgl. Phil 2,12f.). „... alsbald der Heilige Geist, wie gesagt, durchs Wort und heilige Sakrament solch sein Werk der Wiedergeburt und Erneuerung in uns angefangen hat, so ist es gewiß, daß wir durch die Kraft des Heiligen Geists mitwirken können und sollen ..." (FC SD II,64f.; BSLK 897,37ff.).
D) Gnade als Gemeinschaft des Gerechtfertigten mit Gott in Glaube, Hoffnung und Liebe wird stets vom heilsschöpferischen Wirken Gottes empfangen (vgl. GE 27). Doch der Gerechtfertigte ist dafür verantwortlich, die Gnade nicht zu verspielen, sondern in ihr zu leben. Die Aufforderung, gute Werke zu tun, ist die Aufforderung, den Glauben zu üben (vgl. BSLK 197,45f.). Die guten Werke des Gerechtfertigten soll man tun, „nämlich daß wir unsern Beruf fest machen, das ist, daß wir nicht wiederum vom Evangelio fallen, wenn wir wiederum sundigeten" (Apol XX,13; BSLK 316,15-18; unter Bezugnahme auf 2 Petr 1,10. Vgl. auch FC SD IV,33; BSLK 948,9-23). In diesem Sinn können Lutheraner und Katholiken gemeinsam verstehen, was über das „Bewahren der Gnade" in GE 38 und 39 gesagt ist. Freilich, „alles, was im Menschen dem freien Geschenk des Glaubens vorausgeht und nachfolgt, ist nicht Grund der Rechtfertigung und verdient sie nicht" (GE 25).
E) Durch die Rechtfertigung werden wir bedingungslos in die Gemeinschaft mit Gott aufgenommen. Das schließt die Zusage des ewigen Lebens ein: „Wenn wir nämlich ihm gleich geworden sind in seinem Tod, dann werden wir mit ihm auch in seiner Auferstehung vereinigt sein" (Röm 6,5; vgl. Joh 3,36; Röm 8,17). Im Endgericht werden die Gerechtfertigten auch nach ihren Werken gerichtet (vgl. Mt 16,27; 25,31-46; Röm 2,16; 14,12; 1 Kor 3,8; 2 Kor 5,10 etc.). Wir gehen einem Gericht entgegen, in dem Gott in seinem gnädigen Urteil alles annehmen wird, was in unserem Leben und Tun seinem Willen entspricht. Aber alles, was unrecht in unserem Leben ist, wird aufgedeckt und nicht in das ewige Leben eingehen. Die Konkordienformel stellt ebenfalls fest: „Wie dann Gottes Wille und ausdrücklicher Befelch ist, daß die Gläubigen gute Werk tuen sollen, welche der heilige Geist wirket in den Gläubigen, die ihme auch Gott umb Christi willen gefallen läßt, ihnen herrliche Belohnung in diesem und künftigen Leben verheißet" (FC SD IV,38; BSLK 950,18-24). Aller Lohn aber ist Gnadenlohn, auf den wir keinen Anspruch haben.
3. Die Rechtfertigungslehre ist Maßstab oder Prüfstein des christlichen Glaubens. Keine Lehre darf diesem Kriterium widersprechen. In diesem Sinne ist die Rechtfertigungslehre ein „unverzichtbares Kriterium, das die gesamte Lehre und Praxis der Kirche unablässig auf Christus hin orientieren will" (GE 18). Als solche hat sie ihre Wahrheit und ihre einzigartige Bedeutung im Gesamtzusammenhang des grundlegenden trinitarischen Glaubensbekenntnisses der Kirche. Gemeinsam haben wir „das Ziel, in allem Christus zu bekennen, dem allein über alles zu vertrauen ist als dem einen Mittler (1 Tim 2,5f.), durch den Gott im Heiligen Geist sich selbst gibt und seine erneuernden Gaben schenkt" (GE 18).
4. In der Antwortnote der Katholischen Kirche soll weder die Autorität lutherischer Synoden noch diejenige des Lutherischen Weltbundes in Frage gestellt werden. Die Katholische Kirche und der Lutherische Weltbund haben den Dialog als gleichberechtigte Partner („par cum pari") begonnen und geführt. Unbeschadet unterschiedlicher Auffassungen von der Autorität in der Kirche respektiert jeder Partner die geordneten Verfahren für das Zustandekommen von Lehrentscheidungen des anderen Partners.