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Überall hängen Plakate. Werbung für
Autos, Filme, Getränke. Überall Plakate, - weil Plakate
funktionieren. Das wusste schon Martin Luther vor fast 500
Jahren. Da hat auch er ein Plakat mit 95 Thesen entworfen, -
anschließend soll er es an die Tür zur Schlosskirche in
Wittenberg genagelt haben, damit es jeder lesen kann. Heute,
am Reformationstag, denkt die evangelische Kirche an ihn und
an das, was er damit in Gang gesetzt hat,- denn diese
Hammerschläge hallten durch Europa und haben die Welt verändert.
Luther ging es darum herausfinden,
welche Meinung weiterführt, welches der wahre und richtige
Wege ist. Daher sein erster Satz: „Aus Liebe zur
Wahrheit und in dem Bestreben, diese zu ergründen, soll in
Wittenberg disputiert werden." Und dann hat
Luther die Kirche scharf angegriffen. Denn aus der Angst vor
Hölle und Fegefeuer hatte sie ein Geschäft gemacht. Sündenerlass
gegen Bezahlung – damit wurde auch der Petersdom in Rom
finanziert. Solcher Ablass, wie das kirchlich heißt, war für
Luther unvereinbar mit seinem Verständnis von Gottes.
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Diese Angst vor dem Fegefeuer ist heute nicht
mehr unser Problem. Missstände gibt es aber auch heute zur Genüge, -
es ist Zeit, wieder den Hammer herauszuholen und für Verbesserungen
zu streiten und Missstände anzuprangern: kirchliche wie auch
weltliche Protzbauten und Geldverschwendung, für die keiner die
Verantwortung übernimmt. Die Distanz und das Misstrauen zwischen den
Kirchen und Religionen, die unnötigen Barrieren beim
Abendmahl/Eucharistie, Ausgrenzung evangelischer Taufpaten bei
katholischen Täuflingen usw. machen auch heute noch das Zusammenleben
schwer. Die Ökumene ist nicht wirklich vorangekommen. Mich ärgert
aber auch, dass Menschen, die bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen
wollen, dafür häufig mit dem Leben bezahlen müssen; wie zuletzt in
Lampedusa. Und es ist ungerecht, wenn in Deutschland Menschen für
Stundenlöhne arbeiten müssen, von denen sie nicht m al die Miete
zahlen können und im Alter in Armut enden; von anderen Hungerlöhnen
in anderen Ländern ganz zu schweigen. Und ich rege mich auf, wenn
Menschen andere Menschen – und Staaten andere Staaten – ausschnüffeln,
- das ist respektlos. Der Reformationstag ist Anstiftung zum Protest.
Wenn wir gegen das protestieren, was wir ungerecht finden, reformieren
wir nicht nur die Kirche, sondern auch die Gesellschaft und damit die
Welt!
Dazu braucht es Menschen, die sich gegenseitig
zuhören, miteinander reden, auch streiten, aber immer, weil es um die
Liebe zur Wahrheit geht, die die Welt erneuern kann, reformieren kann.
In diesem Sinne wünsche ich uns allen einen segensreichen
Reformationstag, - und eine segensreiche Zeit für Reformen danach!
Pfr. Otto W. Ziegelmeier
