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Beobachtungen über die Religiosität der Menschen zeigen unterschiedliche Tendenzen. Die Zahl der Kirchenaustritte liegt immer noch deutlich über der der Eintretenden, ... Zur Kirche zu gehören, ist nicht mehr selbstverständlich wie bei früheren Generationen. Die Katholiken nähern sich dem evangelischen Verständnis der Mitgliedschaft an. Zuerst die Beziehung zu Gott, der eigenen Glaube, die eigene Glaubenserfahrung, ob diese mit Notwendigkeit eine enge Bindung an die anderen Glaubenden einschließt, ist eine zweite Entscheidung.
Christ heißt, Mitglied des Volkes Gottes zu sein
Das Kirchenverständnis, das sich in der Bibel findet und im Volk-Gottes-Gedanken des II. Vatikanischen Konzils aufgegriffen wurde, legt ein anderes Selbstverständnis des Glaubenden nahe: Ich bin nicht allein von Gott erwählt und erlöst, sondern immer mit den anderen. Zum Glauben kommen, heißt zum Volk Gottes stoßen. Paulus hat das den Heiden, gemeint sind die Nicht-Juden, als das Neue des christlichen Weges erläutert. Gott hat nicht mehr nur die Juden erwählt, sondern alle. Wer glaubt, wird damit zum Nachkommen Abrahams...
Weg zum Glauben über die Medien
Zum Glauben kommt man aber heute nicht mehr, weil man in einer christlichen Familie aufwächst, am Leben der Pfarrei teilnimmt und in der Schule religiös unterwiesen wird. Auf den Glauben stoßen viele, weil sie durch die Medien ihre inneren Erfahrungen gedeutet sehen. Auch selbst ganz medienkritische Zeitgenossen müssen zugeben, dass auch sie sich keine begründete Meinung zu einem aktuellen religiösen Thema bilden können, gänzlich an den Medien vorbei. Religion ist von den Medien entdeckt, es gibt Interviews, Talksendungen, Ordensleute erscheinen auf dem Bildschirm, die Gospelmusik hat Einfluss auf die Popkultur. Nicht mehr von der Kanzel oder vom Lehrerpult erfährt der junge Mensch zuerst etwas über den Glauben, sondern aus Filmen, religiöser Popmusik, aus der für Religion sehr aufgeschlossenen Bildzeitung. Auch die Botschaft eines Weltjugendtages ist erst einmal: Es gibt auch andere, die wie ich auf der Suche sind und Erfahrrungen mit der Welt des Religiösen gemacht haben. Die meisten erfahren über die Medien, dass es solche Treffen gibt und kommen damit auch mit ihren eigenen religiösen Erfahrungen und Fragen in Berührung. Über die Medien kommt aber nicht in gleicher Weise wie über den gemeinsam gefeierten Gottesdienst und die Teilnahme an pfarrlichen Aktivitäten ein Kirchenbewusstsein zustande.
Verhauptamtlichung der Kirche zerstört das Zugehörigkeitsgefühl
Die deutsche Kirche muss sich fragen, warum der Volk-Gottes-Gedanke so wenig Wurzeln geschlagen hat und damit ein zentraler Impuls des Konzils sogar in sein Gegenteil verkehrt wurde. Denn vor dem Konzil war das Zugehörigkeitsgefühl der Katholiken größer. Offensichtlich ist man dem Trend der Zeit gefolgt und hat wie Gewerkschaften, Automobilclubs immer mehr Hauptamtliche eingestellt, so dass die Mitglieder zusehends zu Konsumenten wurden, die die Dienstleistungen in Anspruch nehmen, die die Hauptamtlichen erbringen. Das ist genau das Gegenteil von dem, was das Konzil wollte und was die Kirchen in den ärmeren Ländern auch umgesetzt haben. Allzu angepasste Theologen haben dann auch flugs die Kirche als Dienstleistungsunternehmen definiert. Ein Weiteres kommt hinzu: Bei aller Öffnung gegenüber der Welt ist die nachkonziliare Kirche medienfremd geworden. Es zählt nur das, was von Angesicht zu Angesicht mitgeteilt wird. Radiobeiträge, Glaubensverkündigung durch Geschichten, z. B. in Serien und Kinofilmen, werden im Gefolge von Adornos Medienkritik als uneigentliche Kommunikation hinangestellt. So ist die Gesellschaft der Kirche einfach durch ihre Kommunikationsmuster davon gelaufen. Es funktioniert vor allem nicht mehr die Regelmäßigkeit, auf der der Sonntagsgottesdienst aufruht.
Nicht mehr geordnete Regelmäßigkeit, sondern erlebnisorientierte Religiosität
Ein Bericht aus dem Bistum Rottenburg zeigt, wie sehr sich die religiösen Grundmuster geändert haben. Der Typus von Katholiken, der sich sonntags zur Messe einfindet, zur Kolpingfamilie oder Frauengemeinschaft regelmäßig kommt, wächst nicht mehr nach. Damit schmilzt die kommunikative Basis der Pfarrei, so wie das Polareis, immer mehr weg. Das liegt weniger an den Pfarreien als an den neuen Kommunikationsmustern, die Handy und Internet-Communitis hervorgebracht haben. Ehe man sich, z.B. zur Firmgruppe, trifft, wird telefoniert, ob die anderen auch kommen oder ob es anderswo etwas Interessantes gibt. Das ist aber nicht nur ein den jüngeren Menschen äußeres Muster, auch die inneren Muster der Religiosität haben sich grundlegend verändert. Religion als regelmäßige Praxis wird kaum noch praktiziert, Religiosität ist mehr ein Erlebnisphänomen geworden. Liturgie und Glaubensverkündigung werden sich in ihrem Musikcharakter und dem Stil der Teilnahme grundlegend ändern. Im Moment bestimmen noch die über Fünfzigjährigen die Mentalität und die Stimmung in Gottesdiensten, Feiern, in Gremien und Bildungsabenden. Wenn die Jüngeren auch in der Kirche den Stil vorgeben, werden alle bemerken, dass die Kirche Zukunft hat, an die die ältere Generation nicht mehr recht glauben will. Sie entwirft lieber Auflösungsszenarien.
Ohne Medien keine Kirchenzugehörigkeit
Die Internet- und Handy-Generation nutzt nicht mehr nur Medien, indem sie liest, Filmen und Serien zuschaut oder Musik hört. Sie vernetzt sich mit der Software-Entwicklung des Web 2.0. Nicht nur die Emails, sondern auch das persönliche Profil, incl. des Emailverteilers und des Kalenders liegen auf Servern des Internets. Die Preise der Handyprovider für die Internetnutzung sind bereits so gesunken, dass auch Studenten anfangen, sich sogar Filme aufs Handy herunterzuladen. Das hat Konsequenzen. Die Einstimmung in den Jugendgottesdienst muss bereits über das Handy laufen, die Musik, die im Gottesdienst erklingt, wird zum Herunterladen angeboten, Firmgruppen bilden Internetcommunities. „Gott bewahre die katholische Kirche vor all dem“ werden viele sagen. Eines ist sicher, der katholischen Kirche steht ein grundlegender Wandel der Ausdrucksformen und der Kommunikationsmuster bevor.
Eckhard Bieger S.J.
Reaktion kath.de (16.01.2009)
Siehe auch: PopeTube?
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