Immanuel Kant bestimmte die anthropologische Frage „Was ist der Mensch?“ als die philosophische Frage schlechthin (siehe S. 25). Schon vorher, aber vor allem seit Kant blüht und blüht es auf dem Feld der Anthropologie; Lüke nennt im Vorwort seines nun schon in der dritten überarbeiteten und erweiterten Auflage erscheinenden Buches die Anthropologie als „eine einzige gigantische Großbaustelle bestehend aus aus zahllosen Einzelbaustellen“ (S. 11), neuerdings „angetrieben von neuen naturwissenschaftlichen, insbesondere biologischen und medizinischen Entwicklungen“ (S. 13). Lüke weiss darum, weist jedoch S. 35 auf die Grenzen der Naturwissenschaften hin und sagt von der theologischen Rationalität, dass sie insbesondere das bedenken muss, „was einer bloß naturwissenschaftlichen, technischen oder wirtschaftlichen Rationalität entgeht.“
Nach dem einführenden ersten Kapitel wehrt sich Lüke im zweiten Kapitel gegen den Naturalismus. Kapitel drei bedenkt die biblischen Schöpfungserzählungen. In den beiden Kapiteln vier und fünf geht es um Kreation, Evolution und die Schöpfungstheologie, im sechsten Kapitel um den Begriff und das Verständnis von ´Leben´, ab Kapitel sieben dann um wichtige anthropologische Fragen (Hominisation, Biomedizin, Neurobiologie, Abtreibung, Determination oder Freiheit des Geistes?, „Schuldfähigkeit und Geschöpflichkeit“ und um die Grenzen des menschlichen Denkens.
Im zwölften, dem letzten, kurzen Kapitel (S. 384-390) kommt Lüke auf den Titel seines Buches zurück, und er endet im (vor-)letzten Absatz gut katholisch und mit einem inhaltsreichen Buchstabenspiel so: „Theologisch-christlich gesprochen bedeutet die biologische Rekonstruktion von Evolution und Hominisation die Spuren sichernde Verfolgung der vestigia dei bis zur imago dei... Gott wird Mensch von A bis Z und gerade dadurch wird er für den Menschen das A und O.“
Zum Schluss fünf kurze Bemerkungen:
1. Die lange, eng bedruckte Literaturliste (S. 419-432) zeugt von Lüks Belesenheit; das Personen- und Sachregister (S. 433-444) helfen, das Buch zu erschließen.
2. Was ich mir gewünscht hätte ist ein Aufriss der Geschichte der Anthropologie. Dann wäre die Bedeutung Freuds, Nietzsches und anderer mehr ins Licht gerückt worden; jetzt kommen die genannten nur in jeweils einer kurzen, unbedeutenden Bemerkung vor.
3. Ähnlich ergeht es dem Zeitgenossen Richard Dawkins, dem Vordenker und Sprecher des neuen Atheismus.
4. Lüke nimmt ihn nur aufgrund eines Zeitschriftenbeitrages zur Kenntnis.Lüke hört nicht auf veritable protestantische Stimmen wie beispielsweise Luther, Barth oder Jüngel.
5. Lükes Buch gibt trotz der genannten Kritiken interessante Einblicke in aktuelle Entwicklungen neuerer Anthropologie. (gm)
Ulrich Lüke Das Säugetier von Gottes Gnaden Evolution, Bewusstsein, Freiheit
1. Auflage 2016 Gebunden mit Schutzumschlag 448 Seiten ISBN: 978-3-451-33701-7 Gebundene Ausgabe 29,99 € eBook (PDF) 29,99 €
Verlag Herder
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