Alles in unserem Leben muss perfekt sein: im Beruf, in
der Freizeit, beim Sport, in der Beziehung, in der Sexualität, beim Aussehen,
bei der Kleidung – kein Bereich des Lebens ist davon ausgenommen. Und wir
meinen, nur wenn wir perfekt sind, sind wir akzeptiert. Ist das wirklich so?
Diese Geschichte macht nachdenklich:
Ein Wasserträger hatte zwei große Töpfe. Sie hingen
von einer Stange, die er quer über seinen Nacken trug. Einer der Töpfe hatte
einen Sprung. Der andere Topf war perfekt. Der perfekte Topf war stets voll mit
Wasser.
Der Topf mit dem Sprung war am Ende des langen Weges
vom Bach zum Haus nur mehr halbvoll. So geschah es täglich über mehrere Jahre
lang: Der Wasserträger hatte immer einen vollen und einen halbvollen Topf,
sobald er zu Hause ankam.
Natürlich war der perfekte Topf sehr stolz auf seine
Leistungen. Der Topf mit einem Sprung machte sich Vorwürfe und schämte sich,
dass er nur die Hälfte des Wassers, also die halbe Leistung, erbringen
konnte.
Eines Tages, nach Jahren bitterer Selbstvorwürfe,
sprach der Topf den Wasserträger an:
„Ich schäme mich und möchte mich bei dir
entschuldigen. Der Sprung macht es mir nicht möglich, das ganze Wasser zu dir
nach Hause zu bringen – trotz aller Mühe.“
Der Wasserträger antwortete ihm:
„Du hast keinen Grund, traurig zu sein. Auf unserem
nächsten Nachhauseweg zeige ich dir etwas."
Und als er wieder Wasser geschöpft hatte und auf dem
Rückweg war, sagte er zu dem Topf mit dem Sprung:
"Siehst du, dass es auf deiner Seite des Weges
wunderschöne Blumen gibt?! Auf der anderen Seite gibt es keine. Ich wusste von
deinem Sprung. Und deshalb habe ich Blumensamen auf deiner Seite des Weges
gesät. Jeden Tag auf dem Nachhauseweg bewässerst du die Samen. Und seit dieser
Zeit kann ich diese Blumen pflücken und mein Haus damit
schmücken.
Es gibt also keinen Grund, traurig zu sein. Wenn du
anders wärst als du bist, müsste ich auf diese Schönheit in meinem Haus
verzichten. Ich danke dir für die Freude, die du mir gemacht hast, - wenn auch
ohne es zu wollen. Du siehst, auch als kaputter Topf hast du dein Gutes. Man
muss es nur sehen wollen!“
Die Geschichte zeigt, jeder hat seinen Wert, man muss
ihn nur suchen, erkennen, - sehen wollen. Die Botschaft Gottes “Du sollst deinen
Nächsten lieben wie dich selbst“ (3. Mose 19,18) gilt jedem. Wir haben alle
unseren Wert, - mit oder ohne „Sprung“. Wir alle sind nach Gottes Ebenbild
geschaffen, - ob weiß oder schwarz, stark oder schwach, ansässig oder
vertrieben. Und alle erfüllen wir unsere Aufgabe – und manchmal auch ganz
unbewusst und ungewollt - und verdienen gegenseitig Respekt. Ganz explizit
verweist das Wort Gottes ein paar Verse später im selben Kapitel darauf: „Den
Fremdling, der bei dir wohnt, sollst du lieben wie dich selbst.“ (3. Mose,
19,34). Wohl sind wir alle nicht perfekt, - aber trotzdem alle von Gott geliebt.
Das sollte uns dankbar und hilfsbereit machen für die, deren Leben noch weniger
perfekt ist. Und offen und dankbar dafür, wo sie unser Leben bereichern, -
gewollt und ungewollt ... und uns damit auf die Sprünge helfen.