ANGEDACHT: 2020 - das etwas andere
Weihnachten
„Dieses Jahr brauche ich mehr Weihnachten!“, grummelte
Hella. „Und ich fange früher an! Ich brauche das!“ Enkel
Moritz sah seine Oma fragend an, während sie durch das Haus
flitzte, Sterne verteilte und Lichterketten um Fenster,
Bäumchen und Pflanzen wickelte. Die beiden Katzen suchten
Deckung in der Küche. Als Hella die Krippe unter dem
Weihnachtsbaum aufbaute, schaute der kleine Moritz
aufmerksam zu. Oma Hella erklärte dem kleinen Mann: „Das
ist die Maria, das ist der Josef, das das Jesus-Kind und
das sind Ochs und Esel …“
„Warum Ochs? Warum Esel?“, fragte Moritz mit großen Augen.
„Die kommen doch in der Bibel gar nicht vor.“
Oma Hella schmunzelte verschmitzt, schnappte sich den
Enkel, platzierte ihn auf ihrem Schoß und erklärte ihm:
„Tja, das wissen nur Omas, aber ich erzähle dir dieses
Geheimnis …
Als damals Josef und Maria nach Bethlehem gewandert sind,
ist der Erzengel Joachim schon vorausgeflogen, um die
Tiere auszuwählen, die bei der Geburt Jesu dabei sein
durften. Er war der Kritischste in der Engelschar, ein
typischer Controller. Seine Aufgabe war das erste
Tiercasting der Welt!
Als erstes Tier trat der Löwe nach vorne und brüllte: „Nur
ich, der König der Tiere, ist würdig, bei der Geburt des
Königs der Welt dabei zu sein! Ich stelle mich vor den
Stall und zerfleische jeden, der dem Jesuskind zu nahe
kommt!“
„Hm, du bist viel zu grimmig und brüllst so laut, das
erschreckt ein Baby“, sagte der Engel kopfschüttelnd.
Dann schlich der Fuchs heran, umschmeichelte den Erzengel
und erklärte: „König hin, König her, wenn ein Kind geboren
wird, braucht es Nahrung für Mutter und Kind! Und wer ist
besser geeignet, jeden Tag ein Huhn zu stehlen, als ich:
der listige Fuchs!“
„Hm, du bist mir viel zu hinterlistig“, lehnte der Engel
ab.
Dann stelzte der Pfau majestätisch in den Kreis, plusterte
sich auf und entfaltete ein farbenbuntes Rad: „Der Stall,
in dem Jesus zur Welt kommt, ist so armselig. Daher sorge
ich für eine farbenprächtige Kulisse!“
„Nein, du bist mir zu eitel!“, erwiderte der Erzengel und
schickte ihn zurück.
So kamen nacheinander die Tiere, priesen ihre Schönheit,
Weisheit, Kraft und Stimme. Alle boten ihre Fähigkeiten
an, aber Erzengel Joachim war sich seiner wichtigen
Aufgabe bewusst und lehnte einen nach dem anderen ab und
schickte sie nachhause. Allein und frustriert ging er zum
Bach, um sich mit klarem Wasser zu erfrischen. Da sah er,
wie ein Ochs und Esel an ein Gestell gebunden im Kreis
liefen, um das Wasser hochzupumpen. Neugierig fragte er
die beiden, nachdem er ihnen die Aufgabe erklärt hatte:
„Was könnt ihr denn?“
„Wir haben nichts gelernt außer Gelassenheit und Geduld“,
erklärte der Esel und trabte weiter mit Eselsgeduld. Der
Ochse nickte gelassen und warf schüchtern ein: „Aber
vielleicht könnten wir dann und wann mit unseren Schwänzen
die Fliegen verscheuchen!”
Erzengel Joachim grinste und sagte: „Ihr beiden seid die
Richtigen. Kommt mit!”
… und so kamen Ochs und Esel in den Stall“, erklärt Oma
Hella. Moritz Augen leuchteten, als er klatschend die
Hände zusammenschlug.
Gelassenheit und Geduld als Tugenden. In Oma Hellas
Geschichte haben sie Ochs und Esel in die
Weihnachtsgeschichte gebracht. Gelassenheit und Geduld
sollen auch uns Weihnachten 2020 ermöglichen. Kein
Glühwein und keine Weihnachtsgans, keine Weihnachtsparty
und kein Weihnachtsmarkt gehören wirklich zu Weihnachten.
Aber die Botschaft, dass Gott auf die Welt kommt und wir
damit schon auf Erden dem Himmel ein Stück näherkommen.
Daher gilt uns die frohe Botschaft: „Fürchtet euch
nicht!“ (Lukas 2,10)
Ich wünsche Ihnen Geduld und Gelassenheit für eine
gesegnete Advents- und Weihnachtszeit im (kleinen) Kreis
lieber Menschen
Ihr Otto Ziegelmeier
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