Otto Ziegelmeier betreibt das Internetportal theology.de
„Mitleid bekommt man geschenkt“, sagt Pfarrer Otto Ziegelmeier und kann ein Grinsen nicht zurückhalten, „Neid muss man sich erarbeiten.“ Als er vor zehn Jahren einigen evangelischen Landeskirchen vorschlug, sie im Internet zu präsentieren, stieß der in Bockenheim wohnende Theo loge nicht auf Begeisterung. Zu teuer, hieß es, zu kompliziert, vielleicht könne man in einigen Jahren eine halbe Stelle einrichten.
Aber dafür war Ziegelmeier viel zu ungeduldig. 1993 war er „der Liebe wegen“ von München nach Frankfurt gezogen und hatte sich, von seiner bayerischen Landeskirche beurlaubt, als PR-Berater selbständig gemacht. Überzeugt, dass das Internet „die zweite Medienrevolution nach Gutenberg“ sei, wollte er, dass die Kirche möglichst schnell dabei ist. Also stellte er 1999 die ersten zwölf Seiten ins Netz: Theology.de, ein überkonfessionelles und von kirchlichen Institutionen unabhängiges Internetportal, war geboren. Inzwischen ist es auf stattliche 3000 Seiten angewachsen, wurde insgesamt von 2,8 Millionen Menschen angeklickt, der monatliche Newsletter wird an 8000 Adressen verschickt.
Zwar empfindet Ziegelmeier angesichts dieses Erfolgs tatsächlich ein kleines Triumphgefühl den früheren Bedenkenträgern gegenüber, aber er sieht sich keineswegs als Konkurrenz zur Kirche. Eher versteht er sich als „Spinne im Netz“ und freut sich, dass inzwischen viele Kirchengemeinden mit theology.de verlinkt sind.
„Nur drei bis fünf Prozent der Gemeindemitglieder werden über die traditionelle Gemeindearbeit erreicht“, sagt Ziegelmeier. „Über das Internet komme ich nicht nur an die restlichen 95 Prozent, sondern auch an Kirchendistanzierte, die eine Scheu vor Gemeinde oder Pfarrhaus haben.“
Durchschnittlich eine Stunde pro Tag nimmt er sich Zeit, um E-Mails zu beantworten. Schüler, Studentinnen, Journalisten und Autorinnen suchen Fachinformationen über Theologie und Kirche, Pfarrerinnen und Pfarrer holen sich Predigthilfen. Besonders gefragt, so Ziegelmeier, sei religiöses Basiswissen, etwa zur Bedeutung von Weihnachten und Ostern, auch der Koran stehe derzeit hoch im Kurs. Die Leute wollten wissen, ob und wie sich ein evangelisch-katholisches Paar trauen lassen kann, oder ob man bestattet wird, wenn man aus der Kirche ausgetreten ist.
Viele Fragen führen auch über den Tellerrand hinaus, vor allem, wenn sie aus dem Ausland gestellt werden. Theology.de wird nämlich auch in Amerika und Asien gelesen, oder im Iran, wo die Bibel verboten ist. „Dieser Austausch ist oft sehr spannend“, erzählt Ziegelmeier, der in Israel und Palästina gereist ist. „Für mich ist theology.de auch eine Art ‚Rostschutz’. Ich lerne ständig dazu.“ Als PR-Mann benutzt er gerne griffige Formulierungen, pflegt einen locker-flockigen Ton in leicht bayerischer Färbung, kann aber auch deutlich werden.
Die „Frankfurter Liebe“ des 48 Jahre alten Bayern hat bis heute gehalten. Längst ist er am Main heimisch geworden und engagiert sich im Stadtteil. Im Gewerbeverein „Bockenheim aktiv“ hat er als Vorstandsmitglied nicht nur die Internetseite gestaltet, sondern sich auch dafür eingesetzt, dass die Läden in Bockenheim jeden Sonntag geschlossen bleiben – mit Erfolg. Ziegelmeier freut sich, dass er seinen Beruf als PR-Berater, für den er technisch immer auf dem neusten Stand bleiben muss, mit seinem Ehrenamt als Internet-Pfarrer verbinden kann: „Über das Netz kann ich etwas bewegen.“
Stephanie von Selchow
Quelle: Evangelisches Frankfurt Artikel "Mitmischen bei der Medienrevolution" anhören.
|