Biber, Bier, Schoki: Skurrile Tricks seit Nicäa

1700 Jahre skurrile Fastentricks seit Nicäa

Strenge Gebote und kreative Umwege
Seit mittlerweile 1700 Jahren – genauer gesagt seit dem Ersten Konzil von Nicäa im Jahr 325 – gehört die Fastenzeit zum festen Bestandteil des Kirchenjahres. Was ursprünglich als strikte Übung in Verzicht gedacht war, konnte aber im Laufe der Jahrhunderte einige recht humorvolle Blüten treiben. Von Bibern, die man kurzerhand zu „Fischen“ erklärte, über sättigendes Starkbier bis hin zum päpstlich sanktionierten Kakaogetränk: Die Liste fantasievoller Fastentricks ist lang.

Die 40-tägige Fastenzeit – eine Idee von Nicäa
Auf dem Konzil von Nicäa wurde das sechstägige Osterfasten im 4. Jahrhundert erstmals als 40-tägige Vorbereitungszeit auf Ostern festgeschrieben. Diese Quadragesima (lat. für „vierzig Tage“) oder Passionszeit soll Christinnen und Christen in Gebet, Verzicht und Werken der Nächstenliebe auf das Osterfest einstimmen. Klar, dass solche hehren Vorsätze stets Raum für kreative Interpretationen boten.

Dass man es mit den Fastenregeln nicht immer ganz so genau nahm, ist bereits im Mittelalter belegt. Während das Fleischverbot streng genommen alle warmblütigen Tiere umfasste, fand man dank einer bisweilen sehr „großzügigen“ zoologischen Einteilung doch allerlei Köstlichkeiten auf dem Fasten-Menüplan.

Biber und Fischotter im Topf
Kirchliche Mahnungen bezeugen, dass Biber und Fischotter, aber auch Gänse (!) mitunter als „Wassertiere“ galten und somit als Fischspeisen fastentauglich waren. Ob es dem tieferen Sinn des Fastens entsprach, sich in solchen Fällen an Luchs, Kormoran oder gar einen Fischreiher zu wagen, darf man getrost bezweifeln. Doch Hunger (und eine gewisse Lust am Kulinarischen) machen bekanntlich erfinderisch.

„Schokolade bricht das Fasten nicht“
Schon früh machten sich Orden und Klöster an die Konzeption pfiffiger Überbrückungshilfen. Starkbier – reich an Kalorien und durchaus gehaltvoll im Alkoholgehalt – sicherte den Mönchen, die körperlich arbeiteten, eine nahrhafte „Zwischenmahlzeit“. Im Jahr 1569 soll Papst Pius V. auf die Frage eines Gesandten aus Mexiko, ob das neuartige Xocoatl (Schokolade) in der Fastenzeit zulässig sei, sinngemäß geantwortet haben: „Schokolade bricht das Fasten nicht.“ Bemerkenswert bleibt, dass der Papst selbst diese bitter-würzige Urform des heutigen Kakaos wenig schmackhaft fand. Über den wahren Grund seiner Großzügigkeit darf also spekuliert werden.

Vom Sinn und Unsinn des Fastens
Nach offizieller katholischer Regelung bedeutet Fasten die einmalige Sättigung am Tag, ergänzt um kleine Stärkungen für den Alltag. Ausgenommen sind Kinder, Kranke, Reisende oder Schwerarbeitende. An Aschermittwoch und Karfreitag gilt zudem Abstinenz von Fleisch. Die Sonntage sind grundsätzlich vom Fasten ausgenommen, um dem feierlichen Charakter der Eucharistie gerecht zu werden.

Martin Luther und das Fasten
Martin Luther hielt Fasten zwar nicht für ein besonders verdienstvolles Werk, hätte aber auch keine demonstrativen Aktionen wie die Zürcher Reformatoren unternommen, die 1522 während der Fastenzeit öffentlich Wurst verzehrten. Ihm ging es vielmehr um ein maßvolles Fasten, das nicht als Leistung gegenüber Gott verstanden wurde. Stattdessen sah Luther den Schwerpunkt in einem bewussten Einschränken bei Essen, Trinken und Kleidung, um den eigenen Körper zu disziplinieren. So, meinte er, könne der Mensch empfänglich werden für das Wort Gottes.

40 Tage für Seele und Geist
In biblischer Tradition erinnert die Zahl 40 an Jesu Zeit des Betens und Fastens in der Wüste nach seiner Taufe. Das deutsche Wort „fasten“ (mittelhochdeutsch vasten, gotisch fastan) bedeutet auch „wachsam sein, festhalten“. So geht es theologisch weniger ums Abnehmen oder gar um leere Rituale, sondern um eine geistige, seelische und leibliche Reinigung. Dabei soll die Gottesbeziehung vertieft und die Solidarität mit den Armen gestärkt werden.

Karwoche: Endspurt der Buße
Die letzte Woche vor Ostern – die Karwoche oder Heilige Woche – bündelt den Ernst der Fastenzeit, zugleich nähert sich das Osterfest als Höhepunkt des Kirchenjahres. Wenn man aber auf den kulinarischen Erfindungsreichtum vergangener Jahrhunderte schaut, zeigt sich: So streng unsere Vorfahren auch sein wollten – für ein wenig Genuss und eine gute Ausrede war offenbar immer Platz.

Summa summarum
Ob Biber im Kochtopf, starkes Bier im Klosterkrug oder päpstlich genehmigte Schokolade: Seit dem Konzil von Nicäa mit seinen ersten Festlegungen zum großen Osterfasten wird die asketische Übung der Enthaltsamkeit immer wieder um skurrile Auslegungen bereichert. Vielleicht lädt uns gerade diese merkwürdige Vielfalt dazu ein, den Kern der Fastenzeit neu zu entdecken: eine innere Einkehr, eine Reinigung von Leib und Seele – und ein mitfühlendes Herz gegenüber den Nöten anderer. Auf dass wir in diesen 1700 Jahren des Fastens nicht die wahre Idee dahinter vergessen: Gott näherzukommen und im Miteinander zu wachsen.

theology.de, Februar/März 2025


(C) Alle Rechte vorbehalten.

Diese Seite drucken