"Wenn der Herrgott nichts sieht, darf’s auch schmecken!", dachte man ...
Die Fastenzeit ist traditionell eine Zeit des Verzichts. Seit dem Mittelalter gelten 40 Tage zwischen Aschermittwoch und Ostern als Bußzeit, in der der Verzicht auf Fleisch streng geregelt war. Doch wo ein Verbot ist, da ist auch die Kreativität nicht weit. Besonders findige Schwaben sollen eine kulinarische List ersonnen haben: die Maultasche – oder, wie sie liebevoll-ironisch genannt wird, das „Herrgottsbscheißerle“.
Der Legende nach waren es Mönche des Zisterzienserklosters Maulbronn, die das Fleisch in Nudelteig versteckten, damit der Herrgott es nicht sehen konnte. Eine göttliche Täuschung, die es erlaubte, den Fastengeboten ein Schnippchen zu schlagen! Doch ob diese Geschichte historisch belegbar ist, bleibt fraglich. Viel wahrscheinlicher ist, dass die Maultasche eine süddeutsche Adaption italienischer Teigwaren wie Ravioli oder Tortellini ist – eingeführt vielleicht durch protestantische Waldenser-Flüchtlinge. Die romantische Vorstellung eines trickreichen Klosterbruders hält sich dennoch hartnäckig und wird gerne erzählt, besonders von schwäbischen Feinschmeckern.
Die Geschichte der Fastenumgehung ist aber keineswegs ein Einzelfall. Mönche und Gläubige waren immer erfinderisch, wenn es darum ging, die Regeln auszulegen. So galten Biber, Otter und Enten in manchen Regionen als „Wassertiere“ – und durften daher trotz ihres Fleisches in der Fastenzeit verspeist werden. Auch Bier wurde in Klöstern als „flüssige Nahrung“ deklariert und in großen Mengen gebraut. Skurril? Durchaus! Aber vielleicht auch ein Zeichen dafür, dass Regeln manchmal ein wenig Spielraum brauchen.
Ob nun historische Wahrheit oder kulinarische Legende – die Maultasche bleibt ein Symbol schwäbischer Raffinesse. Und während der Herrgott angeblich nichts sah, genießt der Mensch bis heute mit gutem Gewissen seine Herrgottsbscheißerle.
theology.de, Februar/März 2025
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