Leichensynode: Toter Papst vor Gericht

Papst Formosus und Stephan VI - Die Leichensynode Jean-Paul Laurens (1838–1921



Im Jahr 897 ereignete sich in Rom ein Ereignis, das an Skurrilität kaum zu überbieten ist: die sogenannte Leichensynode. Papst Stephan VI. ließ den Leichnam seines Vorgängers Formosus aus der Gruft holen, in päpstliche Gewänder kleiden und setzte ihn auf den Anklagestuhl. Ja, Sie haben richtig gelesen – ein toter Papst wurde vor Gericht gestellt!

Formosus hatte sich zu Lebzeiten durch politische Entscheidungen Feinde gemacht, insbesondere im Adel und Klerus. Nach seinem Tod sah Stephan VI., der selbst nicht frei von politischen Ambitionen war, die Chance, eigene Zweifel an der Rechtmäßigkeit seines Pontifikats auszuräumen. Er warf Formosus vor, gegen das sogenannte Translationsverbot verstoßen zu haben, das Bischöfen den Wechsel in ein anderes Bistum untersagte. Ironischerweise hatte Stephan VI. sich selbst dieses "Vergehens" schuldig gemacht.

Der Prozess geriet zu einer makabren Farce: Ein Diakon fungierte als Verteidiger des schweigenden Angeklagten, dessen verwesender Körper auf dem Thron saß. Nach dem unvermeidlichen Schuldspruch wurden Formosus die päpstlichen Gewänder vom Leib gerissen und die Schwurfinger der rechten Hand abgehackt – als hätte der Tote nicht schon genug durchgemacht. Nach seinem Tod wurde Formosus posthum abgesetzt, und sein Pontifikat sowie alle von ihm ausgeübten Amtshandlungen wurden für ungültig erklärt. Man schnitt der Leiche die Schwurfinger der rechten Hand ab, und schließlich wurde sein Körper in den Tiber geworfen.

Doch damit endete die Geschichte um Formosus nicht. Noch im selben Jahr hob Stephans Nachfolger Theodor II. die Beschlüsse der Leichensynode auf, ließ den Leichnam aus dem Tiber bergen und erneut in der Krypta des Petersdoms bestatten. Laut einigen Quellen ließ Papst Sergius III., ein Anhänger von Stephan VI., die Leiche von Formosus zehn Jahre später ein zweites Mal exhumieren. Er ließ die verbleibenden Finger der Schwurhand abtrennen und den Körper erneut in den Tiber werfen. Angeblich verfing sich die Leiche in einem Fischernetz, wurde später wieder in die Peterskirche gebracht und dort zum dritten und letzten Mal bestattet. So fand der vom Unglück verfolgte Papst schließlich seine späte letzte Ruhe.

Diese schon sehr skurrile Geschichte nahm noch eine dramatische Wendung, als sechs Monate nach dem ersten Prozess das Dach der Lateranbasilika einstürzte. Das Volk interpretierte dies als Zeichen von Gottes Zorn und stürmte die päpstlichen Gemächer. Stephan VI. wurde in den Kerker geworfen und dort erwürgt. Offensichtlich hatte der Himmel genug von dieser bizarren Justizfarce.

In der Nachfolge wurden die Beschlüsse der Leichensynode aufgehoben, und Formosus erhielt seine Würde posthum zurück. Seine sterblichen Überreste wurden aus dem Tiber geborgen und erneut – hoffentlich zum letzten Mal – in der Peterskirche bestattet. Seitdem hat kein Papst mehr etwas Ähnliches veranlasst. Synoden sind heute deutlich zivilisierter und führen selten zu solchen dramatischen Ergebnissen.

Diese Episode erinnert uns daran, wie Machtstreben und Intrigen selbst über den Tod hinaus reichen können. Sie zeigt aber auch, dass skurrile Auswüchse letztlich keinen Bestand haben und die Gerechtigkeit – wenn auch verspätet – immer siegt. Eine Warnung an alle, die sich für unangreifbar halten.


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