Die skurrile Kunst-Revolutionärin Schwester Corita Kent
Wer hätte gedacht, dass eine Nonne zu den Ikonen der Pop-Art-Bewegung zählt? Schwester Corita Kent, mit ihrem schwarzen Habit und dem Kreidekreuz, schuf in den 1960er Jahren Werke, die so bunt, provokativ und zeitgemäß waren, dass sie selbst Andy Warhol in den Schatten stellten. Ihre Siebdrucke, geprägt von kräftigen Neonfarben und politischen Botschaften, waren ein eklatanter Widerspruch zu ihrem strengen Ordensleben und machten sie zu einer wahren Kunst-Revolutionärin.
Vom Kloster in die Pop-Art-Szene Corita Kent, geboren 1918, verbrachte 32 Jahre ihres Lebens im Kloster. Doch anstatt sich in Gebet und Meditation zurückzuziehen, entdeckte sie ihre Leidenschaft für die Kunst. Sie studierte Grafikdesign und verwandelte die Kunstabteilung des Colleges ihres Ordens in einen Treffpunkt für die Avantgarde. Kent entwarf „10 Rules for Students, Teachers, and Life“, was fälschlicherweise oft dem Komponisten John Cage zugeschrieben wird, tatsächlich durch ihn aber bekannt wurde. In Kents Werk sind Einflüsse von Henri Matisse, des abstrakten Expressionismus, der Grafiken von Saul Bass, des Modernismus von Charles und Ray Eames und von Andy Warhols Campbell's-Suppendosen zu erkennen. Ihr Kunstunterricht am College wurde zu einem Mekka der Avantgarde mit bedeutenden Besuchern wie Alfred Hitchcock, John Cage, Charles und Ray Eames und Buckminster Fuller. 1967 wurde sie von Harper’s Bazaar in die Liste der 100 American Women of Accomplishment aufgenommen und auf der Titelseite der Newsweek-Ausgabe vom 25. Dezember 1967 erschien sie unter dem Titel „The Nun: Going Modern“.
Bibelverse und Werbesprüche Corita Kents Kunst war eine einzigartige Mischung aus Spiritualität und Popkultur. Sie zitierte Bibelverse und mischte sie mit Slogans der Studentenbewegung und Werbesprüchen großer Konzerne. Ihre Werke waren nicht nur ästhetisch ansprechend, sondern auch politisch. Sie setzte sich für soziale Gerechtigkeit ein, protestierte gegen den Vietnamkrieg und kritisierte den Konsumwahn. Eines ihrer bekanntesten Werke, "American Sampler", kombiniert die Farben der amerikanischen Flagge mit den Schriftzügen von Fahndungsplakaten und schafft so eine vielschichtige politische Aussage.
Eine Nonne als Popstar Corita Kent war mehr als nur eine Künstlerin. Sie wurde zu einer Ikone der 60er Jahre. 1967 wurde sie von Harper’s Bazaar in die Liste der 100 wichtigsten amerikanischen Frauen aufgenommen und zierte das Cover der Newsweek. Ihre Bilder hingen in renommierten Museen wie dem Museum of Modern Art in New York, dem Victoria and Albert Museum in London und dem Museum Ludwig in Köln.
Vergessen und wiederentdeckt Nach ihrem Austritt aus dem Orden 1968 geriet Corita Kent und ihre Kunst für lange Zeit in Vergessenheit. In einer Zeit, in der die Pop-Art von männlichen Künstlern dominiert wurde, fiel eine Nonne mit ihren bunten Siebdrucken durchs Raster. Erst in den letzten Jahren wurde ihr Werk wiederentdeckt und feiert ein fulminantes Comeback.
Aktuell in Penzberg und Venedig: Wer Corita Kents Werke live erleben möchte, hat derzeit gleich zwei Möglichkeiten: 1. Museum Penzberg: Die Sammlung Campendonk in Penzberg widmet der Künstlerin eine große Ausstellung, die einen umfassenden Überblick über ihr Schaffen gibt.
2. Venedig Biennale 2024: Corita Kent ist Teil der Ausstellung im Holy See Pavilion der 60. Biennale von Venedig. Die skurrile Verbindung von Spiritualität und Popkultur macht Corita Kent zu einer faszinierenden Figur. Ihre Kunst ist ein Spiegelbild ihrer Zeit und ein Zeugnis für die Kraft des individuellen Ausdrucks. Sie zeigt uns, dass es möglich ist, Tradition und Moderne zu verbinden und dabei etwas völlig Neues zu schaffen.
(Juli 2024)
|