Als sog. "Reichskristallnacht" bzw. richtiger Reichspogromnacht wird die Nacht der nationalsozialistischen Pogrome gegen die jüdische Bevölkerung vom 9. auf den 10. November 1938 bezeichnet. Heute spricht man treffender von den Novemberpogromen 1938, da Ausschreitungen und Morde auch in den Tagen vor und nach dem Datum stattfanden, - vornehmlich zwischen dem 7. und 13. November 1938. Die Pogrome markierten den Übergang von der Diskriminierung und Ausgrenzung der deutschen Juden seit 1933 zur systematischen Verfolgung, die knapp drei Jahre später in den Holocaust an den europäischen Juden im Machtbereich der Nationalsozialisten mündete.
Im zaristischen Russland ist Pogrom eine Bezeichnung für Judenverfolgungen, heute bedeutet Pogrom allgemein Ausschreitungen gegen religiöse und rassische Minderheiten.
Vom 7. bis 13. November 1938 etwa 400 Menschen ermordet oder in den Tod getrieben. Ab dem 10. November wurden ungefähr 30.000 Juden in Konzentrationslagern inhaftiert, wo nochmals Hunderte ermordet wurden oder an den Haftfolgen starben. Fast alle Synagogen und viele jüdische Friedhöfe in Deutschland und Österreich wurden zerstört.
2018 jährt sich die Reichspogromnacht zum 80. Mal, - dazu Materialien der EKHN.
2013 jährt sie sich zum 75. Mal, - dazu Materialien der EKD.
Arbeitshilfen zum Gedenktag "Erinnerung und Umkehr" am 9. November
Siehe YouTube-Video "Kristallnacht- German pogrom of 1938"
Ursprung des Begriffs Der Ursprung des Ausdrucks Reichskristallnacht ist ungeklärt. Er war jedoch entgegen einer verbreiteten Meinung keine offizielle Sprachregelung des NS-Regimes. Dessen Dienststellen und die von ihnen gelenkten Medien benutzten damals propagandistisch gefärbte Ausdrücke wie Judenaktion, Novemberaktion, Vergeltungsaktion, Sonderaktion und (Protest-)Kundgebungen.
"Kristallnacht" war eine Wortschöpfung aus dem Volksmund von 1938. Wahrscheinlich stammte sie aus Berlin und spielte auf die zertrümmerten Scheiben vieler Fenster an, deren Scherben die Straßen bedeckten. Viele Augenzeugen der Pogrome erinnerten sich auch an Begriffe wie Glasnacht, Gläserner Donnerstag, Nacht der langen Messer, die damals umliefen.
Zeitzeugen schrieben unmittelbar nach den Pogromen in ihren Tagebüchern von Grünspan-Affäre (Victor Klemperer) oder von Bartholomäusnacht (Walter Tausk). In den Konzentrationslagern, in die die ab dem 10.November verhafteten Juden verschleppt wurden, sprach man in Bezug auf das vorausgehende Attentat von der Rathaktion, wegen der exzessiven Gewalt gegen die eingelieferten Juden auch von einer Mordwoche. Die Zeitungen der Exil-SPD und der Untergrund-KPD nannten die Ereignisse unmissverständlich Judenpogrome.
Die vorangestellte Silbe Reichs- sollte eventuell den übertrieben häufigen Gebrauch dieses Präfix durch das NS-Regime ironisch karikieren, indem man es auch auf unpassende Begriffe ausdehnte.
In Texten der ersten Nachkriegsjahre finden sich Ausdrücke wie Tag der (deutschen) Scherbe, Reichsscherbenwoche, (Reichs-)Kristallwoche, Judennacht, Pogromnacht, Novemberpogrom, Synagogensturm, Synagogenbrand, Reichstrümmertag, Reichskristalltag, Verfolgungswoche, Novembernacht, Synagogenstürmernacht.
Der Begriff "Reichskristallnacht" setzte sich in der Bundesrepublik Deutschland für die Novemberpogrome 1938 durch und wird sowohl umgangssprachlich als auch lexikalisch verwendet, auch in anderen Ländern und unter Historikern, - auch wenn der Begriff inhaltlich nicht stimmt und irritiert.
Horst Stuckmann nennt das Wort "Kristallnacht" eine "verharmlosende Bezeichnung, die suggerieren soll, als seien damals lediglich einige Fensterscheiben zu Bruch gegangen." Der Ausdruck verschleiert jene Greueltaten, die an jüdischen Mitbürgern verübt wurden und sollte deshalb durch den Begriff Pogromnacht oder Novemberpogrom ersetzt werden. Avraham Barkai bemerkt dazu in seiner Abhandlung "Schicksalsjahr 1938" folgendes: "’Kristallnacht’! Das funkelt, blitzt und glitzert wie bei einem Fest! Es wäre längst Zeit, daß diese böswillig-verharmlosende Bezeichnung zumindest aus der Geschichtsschreibung verschwände."
Politik und Medien bevorzugen daher seit einigen Jahren die Bezeichnung Reichspogromnacht. Aber auch diese Wortschöpfung reduziert die Novemberpogrome des Jahres auf nur eine Nacht und verdeckt zudem ihre Besonderheit, indem sie sie mit mittelalterlichen und neuzeitlichen Pogromen gegen Juden in eine Reihe stellt. Sie lässt auch nicht mehr erkennen, dass der ältere Begriff auch eine distanzierende Reaktion mancher Bürger auf die Nazi-Propaganda spiegelte.
Quellen: Ashkenaz House - Synagogue Memorial Jerusalem Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Shoa.de
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In der in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 wurden in Deutschland die Synagogen geschändet und angezündet, Juden tätlich angegriffen, jüdische Einrichtungen zerstört sowie Geschäfte und Wohnhäuser von Juden geplündert worden. Vor 70 Jahren herrschte in der evangelischen Kirche zu den Ereignissen mehrheitlich Schweigen, Wegschauen oder gar offene Zustimmung. Nur Wenige hätten die Verbrechen beim Namen genannt.
Deshalb ist der 9. November für die Kirche „ein Tag des Erinnerns an die Leiden der Opfer, ein Tag der Buße und Umkehr aus der langen Geschichte christlicher Judenfeindschaft“ aber auch „ein Tag der Besinnung auf das mutige Zeugnis derer, die damals widersprochen haben und in deren Tradition wir uns heute stellen“.
Die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau hat sich intensiv mit den historischen und theologischen Dimension der christlich begründeten Judenfeindschaft auseinandergesetzt und ihre Abkehr davon 1991 in der Erweiterung ihres Grundartikels zum Ausdruck gebracht.
Download (PDF): Erweiterung des Grundartikels "zur Umkehr aufgerufen"
Arbeitshilfen zur Gestaltung von Gottesdiensten und Andachten am 70. Jahrestag der Reichspogromnacht hat die Arbeitsstelle für gottesdienstliche Fragen der EKD (GAGF) ins Internet gestellt.
Zum 9. November bekommt Kirchenelster Kira Besuch von der kleinen Hanna,- ein kirchliches Angebot für Kinder.
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In Erinnerung an die Verfolgung der Juden durch die nationalsozialistischen Machthaber in Deutschland, die am 9. November 1938 in der Reichspogromnacht ihren ersten Höhepunkt fand, sind christliche Gemeinden aller Konfessionen und Klöster eingeladen, am Sonntag, den 9.11.2008 um 17.00 Uhr für fünfzehn Minuten die Glocken zu läuten. Damit wird ein öffentliches Zeichen gegeben, dass dieses menschenverachtende Unrecht vor 70 Jahren nicht vergessen ist.
Das Gedenk-Läuten ist ein Aufruf zum Innehalten und Nachdenken über die damals öffentlich gewordene Verfolgung der Juden in unserem Lande: Zerschlagung von Fensterscheiben, Zerstörung jüdischer Geschäfte und Wohnungen, mehr als 1.500 Synagogen wurden niedergebrannt, Raub, Plünderung, Totschlag und Mord. Damals schwieg der Grossteil der Bevölkerung, weitgehend auch die christlichen Kirchen.
Deswegen ist es begrüssenswert, dass sich 70 Jahre danach Kirchengemeinden und Klöster vor Ort am Gedenk-Läuten beteiligen, um eine lebendige Erinnerung an dieses Unrecht "hörbar" zu machen und ihre Offenheit für das heutige jüdische Leben in ihrer Stadt und Gemeinde zu bekunden. Das Läuten der Kirchenglocken wird durch Gebet, Meditation in den Kirchen begleitet. Damit soll der Mahnung "Nie wieder!" ein glaubwürdiger Ausdruck verliehen werden.
Das Gedenkläuten geht auf eine Idee von Prof. Dr. Meir Schwarz, dem Leiter des Ashkenaz House (Synagogue Memorial) in Jerusalem zurück. Professor Meir Schwarz ist als Kind selbst Opfer der Ereignisse der Reichspogromnacht in Deutschland geworden.
Weitere Informationen unter: www.gedenk-laeuten-2008.net
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