Tillich Paul J.

Im Zentrum des protestantischen Mutes des Vertrauens steht der Mut, sich zu bejahen als bejaht, trotz des Bewusstseins der Schuld. Das ganze Zeitalter wie auch Luther persönlich, erfuhren die Angst der Schuld und der Verdammung als die Hauptform ihrer Angst. Der Mut, sich selbst zu bejahen trotz dieser Angst, ist der Mut, den wir den Mut des Vertrauens genannt haben. Er wurzelt in der persönlichen, totalen und unmittelbaren Gewissheit der göttlichen Vergebung.
Paul Tillich


Paul Johannes Tillich (* 20. August 1886 in Starzeddel, Landkreis Guben; † 22. Oktober 1965 in Chicago, USA) war ein deutscher und später US-amerikanischer protestantischer Theologe (Dogmatiker) und Religionsphilosoph.

Er gehört zusammen mit Karl Barth, Dietrich Bonhoeffer, Rudolf Bultmann und Karl Rahner zu den bedeutendsten deutschen Theologen aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Seine Emigration im Jahr 1933 in die USA und sein Wirken an der Harvard University und der University of Chicago begründeten seinen weltweiten Ruf, der auch an der umfangreichen internationalen Sekundärliteratur sichtbar wird.

Leben
Tillich wuchs als Sohn des aus Berlin stammenden lutherischen Pfarrers Johannes Tillich (1857-1937) und dessen Frau Mathilde auf. Er studierte Theologie und Philosophie an den Universitäten von Berlin, Tübingen und Halle. Als Student trat er den Wingolfsverbindungen in diesen Städten bei. In seiner Zeit beim Hallenser Wingolf mischte er sich in die Prinzipstreitigkeiten des christlichen Bundes ein. 1910 promovierte er an der Universität Breslau mit einer Arbeit über Schelling bei Eugen Kühnemann. Er wurde ordiniert und arbeitete als Vikar, meldete sich dann aber mit dem Kriegsbeginn freiwillig als Militärpfarrer.

Nach dem Krieg, der sich später als für Tillich bestimmend erweisen sollte, lehrte er als Privatdozent in Berlin, dann ab 1924 in Marburg, ab 1925 an der Technischen Hochschule Dresden und schließlich von 1929 bis 1933 in Frankfurt am Main. 1933 wurde er, nachdem er mit Die sozialistische Entscheidung eine Schrift gegen den Nationalsozialismus veröffentlicht hatte und weil er den Religiösen Sozialisten angehörte, aufgrund des Berufsbeamtengesetzes aus dem Staatsdienst entlassen, worauf er Deutschland verließ.

Freunde verschafften ihm am Union Theological Seminary in New York eine Anstellung, wo Tillich beinahe zwanzig Jahre lehren sollte. In dieser Zeit entstanden mit Auf der Grenze (1936, dt. 1962) auch die persönlich geprägten theologischen Reflexionen, die die mit dem Ersten Weltkrieg einsetzende Krise in Tillichs Leben beleuchten und seinen späteren theologischen Werdegang erklären. Mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges war Tillich in Fachkreisen bereits bekannt und hatte seinerseits begonnen, die englische Sprache in dem für wissenschaftliche Publikationen erforderlichen Umfang zu erlernen. Auf politischer Ebene war Tillich in verschiedenen Exilorganisationen aktiv, so dem 1944 gegründeten Council for a Democratic Germany, welchem er vorstand.

1948 war es dann aber keine gelehrte Monographie, sondern eine unter dem Titel The Shaking of the Foundations (deutsch: In der Tiefe ist Wahrheit) veröffentlichte Sammlung von Predigten, die Tillich landesweit bekannt machte. Noch in New York begann Tillich, seine Systematische Theologie zu schreiben. Als er 1955 am Seminary emeritierte, war er in den USA ein „intellektueller Superstar“ (Kelsey), der sich nun die Universität aussuchen konnte. Tillich ging als University Professor mit fakultätsübergreifendem Lehrrecht an die Harvard University und veröffentlichte dort den zweiten Band der Systematik. 1962 nahm er einen Ruf an die Divinity School der University of Chicago an und brachte den dritten Band der Systematischen Theologie heraus.

Paul Tillich verstarb 1965 im Alter von 79 Jahren. Seine Urne fand zunächst Aufnahme auf dem Friedhof von East Hampton auf Long Island. Sie wurde dann aber nach New Harmony, Indiana, überführt, wo sie zu Pfingsten 1966 von Jerald Brauer, Dekan der Divinity School, bei Sonnenaufgang in dem Paul Tillich Park beigesetzt worden ist. Der Grabstein aus rotem Granit, der zwischen Tannen steht, erinnert in englischer Sprache an den 3. Vers des 1. Psalms: „Paul Johannes Tillich 1886–1965. Und er soll sein wie ein Baum, gepflanzt an Wasserbächen, der seine Frucht bringt zu seiner Zeit und dessen Blätter nicht verwelken, und alles, was er tut, gerät ihm wohl.“

Bedeutung
Helmut Thielicke hat Tillich als „Wanderer zwischen den Welten“ bezeichnet, Horst Bürkle als „Vermittlungstheologe“; Friedrich Mildenberger sprach vom „Denker auf der Grenze“. Ihm ist es mit seiner Methode der Korrelation von Frage und Antwort, Situation und Botschaft wie kaum jemand anderem gelungen, die existentiellen Fragen seiner Zeit aufzugreifen und sie als religiöse Fragen zu formulieren, sowie aufzuzeigen, dass die Symbole der christlichen Botschaft attraktive und nach wie vor aktuelle Antworten auf diese Fragen sind.

Sein Denken prägte die Frühphase der später so genannten „Kritischen Theorie der Gesellschaft“ der Frankfurter Schule um Horkheimer und Adorno – der bei ihm 1931 habilitierte – maßgeblich mit. Das Denken Tillichs wurde über Europa hinaus von Bedeutung. So sind der anglikanische Bischof John Shelby Spong und der japanische Religionsphilosoph Takamaro Shigaraki wesentlich von Tillich beeinflusst.

Besondere Bedeutung für die Theologie, die Religionspädagogik und die Auseinandersetzung des Christentums mit anderen Religionen hat seine Bestimmung des Verhältnisses von Religion und Mythos. „Mythen sind Symbole, die zu Geschichten verbunden sind, in denen Begegnungen zwischen Göttern und Menschen erzählt werden. Die Mythen sind in jedem Akt des Glaubens gegenwärtig, denn die Sprache des Glaubens ist das Symbol.“ Als entscheidendes Kriterium für einen kritischen Umgang mit dem Mythos führt Tillich den Begriff des gebrochenen Mythos ein. Er definiert ihn folgendermaßen: „Ein Mythos, der als Mythos verstanden, aber nicht beseitigt wird, kann gebrochener Mythos genannt werden.“ – „Ein Glaube, der seine Symbole wörtlich versteht, wird zum Götzenglauben. Er nennt etwas unbedingt, was weniger ist als unbedingt. Der Glaube aber, der um den symbolischen Charakter seiner Symbole weiß, gibt Gott die Ehre, die ihm gebührt.“ – „Das Christentum schließt seinem eigentlichen Wesen nach jeden ungebrochenen Mythos aus, denn seine Grundlage ist der Inhalt des ersten und höchsten Gebotes, die Unbedingtheit des Unbedingten anzuerkennen und jede Art von Götzendienst abzulehnen.“ (P. Tillich, Wesen und Wandel des Glaubens, 1961) Das bedeutet aber für Tillich durchaus nicht, dass das Christentum in seiner Geschichte diesem Wesen immer treu geblieben ist und dass andere Religionen diesem Kriterium nicht oft besser entsprochen haben.

Tillich beschäftigte sich auch mit der Projektionstheorie Marx’ und Freuds, so z. B. in einer Besprechung des Buches von Erich Fromm über Psychoanalyse und Religion.


Links


(C) Alle Rechte vorbehalten.

Diese Seite drucken