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Mehrfach führt die bekannte die ehemalige Literaturkritikerin, Fernsehmoderatorin und preisgekrönte Schriftstellerin Thea Dorn ihre LeserInnen des im Februar 2016 erschienenen Wissenschaftsroman in die Vergangenheit zurück. Viele Passagen spielen in der Romantik, sie schreibt öfter im Altfränkischen, und vor allem verwendet sie Goethes Faustmotiv. Und gleich im zweiten Satz des Vorspiels taucht Johann auf. Später erfährt man sehr viel mehr von diesem ersten Protagonisten. Es ist der 1776 geborene Physiker Johann Wilhelm Ritter, der seinen Tod 1810 nur vortäuschte und nicht alternd, im Zeitgeschehen eingebunden, bis in unsere Gegenwart hinein weiterlebt. Jetzt lebt er als John Knight in den USA. In einem Kaufhaus begegnet ihm die zweite Hauptfigur, die deutsche Molekularbiologin Johanna Mawet. Sie hilft ihm, seine gekauften Lebensmittel einzupacken und nimmt ihn wenig später an einem Highway mit.
Mawets Lebensprojekt ist es, „sämtlichen Zellen im menschlichen Organismus Regenerationskräfte zu verleihen, die weit über das natürliche Maß hinausgehen, damit zugleich die Zellteilung abzuschaffen und also den Weg zur Unsterblichkeit zu ebnen.“ (S. 25) Dies ist in unserer Zeit und Gegenwart die große Zukunftshoffnung eines Teils der Biowissenschaften und dies ist die sachliche Mitte des Romanes. Daneben und damit verbunden ist die wachsende, immer intimer werdende Beziehung zwischen den beiden Hauptpersonen. Am Ende (S. 551) liest man fast eine Seite manchmal orgiastisch anmutender Ausrufe: „´Mein Tütenpacker.´ ´Mein Highway-Engel´...´Mein Pferdeschwanz.´...´Meine nächtlichen Doktorspiele.´ ´Mein Laptopvandale.´...´Mein wildes Genom.´...´Mein röhrender Hirsch.´ ´Meine elektrische Venus.´“ Und dann die letzten drei Zeilen: „´Mein stockend Atem.´´Meine ewige Freiheit.´ ´O seliges Glück.´“ Mit dem Stilmittel der Inklusion beendet Dorn also ihren hochgelobten Roman. Denis Scheck nannte ihn in einer ARD-Sendung "Ein Paukenschlag in der deutschen Gegenwartsliteratur."
Die Literaturkritiker von FAZ (Dorn „kann keinem Wortspiel widerstehen“) und der Süddeutschen („schade, was zuletzt aus diesem Buch geworden ist.“) kritisieren es auch. Sagte Voltaire einmal „Mir sind alle Bücher zu lang.“, so möchte ich für meinen Teil sagen. Dorn legt ihren Finger auf ein hochbrisantes, gesellschaftlich und politisch sträflich vernachlässigtes Thema. Dafür ist ihr sehr zu danken. Und dann, zum Schluss: Ja, ihr Buch könnte viel kürzer sein. Aber es ist im wahrsten Sinn des Wortes seinen Preis wert. (gm)
Thea Dorn
Die Unglückseligen
2016
Gebundenes Buch mit Schutzumschlag, 560 Seiten, 13,5 x 21,5 cm
ISBN: 978-3-8135-0598-6
€ 24,99 [D] | € 25,70 [A] | CHF 33,90* (* empfohlener Verkaufspreis)
Knaus-Verlag
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