PFARRER–INITIATIVE - Protest
300 österreichische Priester kritisieren den Papst
Dreihundert katholische Ortspfarrer und Seelsorger in Österreich haben vor gut einem Jahr in Sankt Pölten die Pfarrer-Initiative gestartet. Dies geschah »in Sorge um die Entwicklung der Kirche« und um den Gemeinden Mut zu machen.
Nun melden sie sich mit einem denkwürdigen Brief zu Wort (siehe unten). Die couragierten Dreihundert kritisieren den Kniefall von Papst Benedikt XVI. vor den Traditionalisten, das Motu Proprio »Summorum Pontificum« mit der Aufwertung der Lateinischen Messe aus den vier autoritären Jahrhunderten vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil.
Ferner geißeln die Priester das vom Papst unterzeichnete, die evangelischen Kirchen brüskierende Vatikanpapier mit dem Titel »Antworten auf Fragen zu einigen Aspekten bezüglich der Lehre über die Kirche«.
Pressemitteilung
Zum Motu Proprio „Summorum Pontificum“ von Papst Benedikt XVI.
und zu den
„Antworten auf Fragen zu einigen Aspekten bezüglich derLehre über die Kirche“ der Kongregation für die Glaubenslehre
Als PFARRER–INITIATIVE, zu der sich seit einem Jahr dreihundert katholische Pfarrer und Seelsorger aus ganz Österreich in Sorge um die weitere Entwicklung in der Kirche zusammengeschlossen haben, nehmen wir die beiden jüngsten Dokumente des päpstlichen Lehramtes mit großer Besorgnis zur Kenntnis. Sowohl in der neuen Regelung für die Verwendung des vorkonziliaren Mess – und Sakramentenritus als auch in der neuerlich erfolgten scharfen Abgrenzung zu den anderen christlichen Kirchen sehen wir eine Erschwernis für den Weg der Erneuerung der Kirche und unmittelbar irritierende und belastende Auswirkungen auf die Arbeit in den Pfarrgemeinden.
Nach dem Motu Proprio „Summorum Pontificum“ Papst Benedikts XVI. vom 7. Juli 2007, Art. 5 § 1, hat der Pfarrer „in Pfarreien, wo eine Gruppe von Gläubigen, die der früheren Liturgie anhängen, dauerhaft existiert,…deren Bitte, die heilige Messe nach dem im Jahr 1962 herausgegebenen Messbuch zu feiern, bereitwillig aufzunehmen“. Dabei habe der Pfarrer „selbst darauf zu achten, dass das Wohl dieser Gläubigen in Einklang gebracht wird mit der ordentlichen Hirtensorge für die Pfarrei…wobei Zwietracht zu vermeiden und die Einheit der ganzen Kirche zu fördern ist.“ Und weiter heißt es: „Wo irgendeine Gruppe von Laien durch den Pfarrer nicht erhalten sollte, worum sie nach Art. 5 § 1 bittet, hat sie den Diözesanbischof davon in Kenntnis zu setzen. Der Bischof wird nachdrücklich ersucht, ihrem Wunsch zu entsprechen. Wenn er für eine Feier dieser Art nicht sorgen kann, ist die Sache der Päpstlichen Kommission ‚Ecclesia Dei’ mitzuteilen“(Art. 7).
Die Anliegen einer Minderheit in der Kirche werden hier in einem Ausmaß akzeptiert und aufgenommen, wie es den von breiten Mehrheiten im Kirchenvolk getragenen Anliegen noch nie zuteil geworden ist. Das päpstliche Begleitschreiben zum Motu Proprio spricht von „vielerorts“ und „oft“ geschehenen „kaum erträglichen Entstellungen der Liturgie“ im Gefolge der Liturgiereformen des Zweiten Vaticanums und stellt diese der Sehnsucht der Anhänger des früheren Ritus nach Ehrfurcht, Mystik und Tiefe gegenüber. So als wäre nicht auch der frühere Ritus seinerzeit „vielerorts“ und „oft“ ehrfurchtslos und unmystisch gefeiert worden und als würden sich nicht unzählige Frauen und Männer, Priester und Laien seit dem Zweiten Vaticanum in den Gemeinden um eine lebensnahe und zugleich würdige, gottvolle, zu den Quellen des Glaubens führende Gottesdienstgestaltung bemüht haben und weiterhin bemühen. Ihnen allen gilt an dieser Stelle unsere ausdrückliche Dankbarkeit und Solidarität. Schließlich stellen wir auch die Frage, warum es nicht den Diözesanbischöfen überlassen bleibt, in ihren Diözesen nach ihrer Einschätzung für entsprechende Angebote für die Anhänger des früheren Ritus in bestimmten Kirchen zu sorgen. Stattdessen sollen nun Pfarrgemeinden und Pfarrer gegebenenfalls die Feier der Eucharistie und der Sakramente in zwei Riten vorsehen, die sich nicht nur liturgisch, sondern auch im Verständnis von Kirche und Gemeinde deutlich unterscheiden.
Die österreichischen Bischöfe sprechen in ihrer Reaktion davon, dass „offene Fragen in Konsequenz des „Motu Proprio“ offen behandelt werden müssen“. Als PFARRER–INITIATIVE erwarten und fordern wir die offene Behandlung dieser Fragen ebenso wie die offene Behandlung der neuerlichen scharfen Abgrenzung unserer Kirche zu den anderen christlichen Kirchen in den „Antworten auf Fragen zu einigen Aspekten bezüglich der Lehre über die Kirche“ der Kongregation für die Glaubenslehre vom 29. Juni 2007. Die Pflicht zur Klarheit ist nur e i n Aspekt im ökumenischen Dialog. Dringender wie nie zuvor ist aber die Erfüllung der Pflicht, die Jesus Christus selbst den Seinen mit äußerstem Nachdruck mitgegeben hat: „Eins zu sein“, und einer von Trennungen und Konflikten geprägten Welt das Zeichen der Einheit zu geben. Als PFARRER–INITIATIVE setzen wir uns wie viele Gemeinden, Christinnen und Christen für die Erreichung der Gemeinschaft aller Christen am Tisch des Herrn ein. Im alltäglichen Leben unserer Kirchen und Gemeinden ist die Zusammenarbeit auf vielen Gebieten längst zur Selbstverständlichkeit geworden. Wir erwarten und fordern zusammen mit der überwiegenden Mehrheit der Menschen in unseren Gemeinden von den Leitungsverantwortlichen unserer Kirche und der anderen christlichen Kirchen, dass sie den Weg für eine Einheit in der Vielfalt frei machen. Einander abzusprechen, „Kirche“ zu sein, erscheint uns als kein Schritt auf diesem Weg. Statt immer wieder festzustellen, was die Kirchen voneinander trennt, sollte ebensolche Mühe für die Darstellung und Förderung dessen, was uns schon verbindet, und für die Überwindung des noch Trennenden aufgewandt werden.
Presseaussendung: Wien, 13. Juli 2007
(Für Anfragen steht Mag. Helmut Schüller, Vorsitzender der Pfarrer – Initiative, unter 0664/5420734 zur Verfügung)
Weitere Informationen: http://www.pfarrer-initiative.at/