Gebannt blicken wir auf die vielfältigen Aktivitäten
Reformationsjubiläums und gebannt blicken wir auf die Worte und Taten der
kirchlich Verantwortlichen. Dabei scheint man bei aller Euphorie aber einem
„Stachel im Fleisch“ beharrlich aus dem Weg zu gehen: dem Bann Luthers und den
Lutheraner mit all seinen Folgen bis heute. Ein gutes Miteinander heute ist ohne
eine Bewältigung der Vergangenheit nicht möglich.
Gebannt: Bannandrohung und Bann
„Erhebe dich, Herr, […] ein Wildschwein sucht deinen
Weinberg zu verwüsten!“ Mit diesen drastischen
Worten warnte Papst Leo X. eindringlich vor der Gefährdung durch die Lehren des
aufmüpfigen Professors. Sie stammen aus der Bannandrohungsbulle „Exsurge Domine“ („Erhebe dich,
Herr“) gegen Luther vom 15. Juni 1520. In diesem päpstlichen Schreiben werden 41
Sätze Luthers als Irrlehren verurteilt. Die Bücher Luthers sollen beschlagnahmt
und öffentlich verbrannt werden; „damit sein
Gedächtnis ganz aus der Gemeinschaft der Gläubigen Christi getilgt
wird“. Das klingt nicht nach einer vorübergehenden
Lösung. Luther erhält sofortiges Predigtverbot und ihm wird eine Frist von 60
Tagen eingeräumt, seine Lehren zu widerrufen. Bei Weigerung sollten er und seine
Anhänger als Ketzer verurteilt und exkommuniziert (aus der Kirche
ausgeschlossen) werden, - das gilt also auch den heutigen Lutheranern. Die
Obrigkeiten werden aufgefordert, Luther in diesem Fall gefangen zu nehmen und
nach Rom auszuliefern. Jede Beherbergung und Unterstützung Luthers wird streng
verboten.
Luther reagierte am 10. Okt. 1520 mit der Verbrennung
der Bannbulle vor dem Elstertor in Wittenberg, - er protestierte und widerrief
nicht! In der Bulle „Decet Romanum
Pontificem“ vom 3. Januar 1521 werden die Aussagen
von „Exsurge Domine“ rekapituliert. Nach Ablauf der Frist ist Luther als Häretiker
erwiesen. Wer Luther folgt oder schützt, ist ebenfalls Häretiker und gilt als
exkommuniziert. In der Gründonnerstagsbulle vom 28.3.1521 werden unter den
Häretikern auch Martin Luther und seine Anhänger, Beschützer, Begünstiger und
Verteidiger als Häretiker exkommuniziert. Das bestätigt auch später das Wormser
Edikt vom 8. Mai
1521.
Mit dieser Exkommunizierung Luthers verhindert Papst Leo
X eine innerkirchliche Reformation und stellt die Weichen in Richtung Spaltung.
Die Exkommunizierung Luthers ist nie wieder aufgehoben worden; da es in der
römisch-katholischen Kirche „unüblich“ sei, dies posthum zu tun. Üblichkeiten
kann man ändern, - und Martin Luther ist zwar tot, aber seine Anhänger, die
Lutheraner leben! Daher ist es an der Zeit, nach fast 500 Jahren, die
Exkommunizierungen Luthers aufzuheben, da sie die Verurteilung seiner Lehren und
die Anhänger der Lehre – die Lutheraner - mitbeinhaltet. Das macht ein
geschwisterliches Miteinander, eine Ökumene auf Augenhöhe
unmöglich!
Gebannt: neue Entwicklungen
Es ist sehr erfreulich, dass am 6. Februar 2017 der
Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Landesbischof Heinrich
Bedford-Strohm, in Begleitung von Kardinal Marx, dem Vorsitzenden der Deutschen
Bischofskonferenz, Papst Franziskus in Rom einen offiziellen Besuch zum
Reformationsjubiläum abgestattet hat. Franziskus sprach von „einer bereits versöhnten Verschiedenheit“. Er schätze, die geistlichen und theologischen Gaben, die wir von
der Reformation empfangen haben, und er wolle sich mit all seinen Kräften darum
bemühen, die noch bestehenden Hindernisse zu überwinden. Ich hätte da einen ganz
konkreten Vorschlag für diese Bemühungen.
Gebannt: Bann bannen
Ökumene, ein geschwisterliches Miteinander, kirchliche
Einheit (als Einheit oder in Vielfalt) kann nicht gelingen, wenn man den
„Kirchenvater“ Luther als Irrlehrer verdammt, seine Lehre und seine Anhänger, -
die Lutheraner! Es wäre auch unredlich, die alten Geschichten zu ignorieren.
Denn dies beeinträchtigte das Miteinander in der Vergangenheit bis in die
Gegenwart. Dies führte zum Stillstand der Amtskirchen in entscheidenden Fragen:
gegenseitige Anerkennung der Ämter und die eucharistische Gemeinschaft. Diesen
Fortschritten hinken die Kirchenführer weit hinterher. Sie tragen die
Verantwortung vor Gott und den Menschen, wenn sie mit der Beseitigung der „noch
bestehenden Hindernisse“ nicht ernst machen!
Gebannt: Forderungen zum Jubiläumsjahr
2017
Für das Jubiläumsjahr 2017 sollten die Verantwortlichen
die teils schon seit Jahrzehnten vorliegenden Ergebnisse der ökumenischen
Dialogkommissionen konsequent in die Tat umsetzen:
1. Aufhebung aller Exkommunikationen aus der
Reformationszeit
2. Rehabilitation Martin Luthers und seiner
Lehre
3. Anerkennung der protestantischen Ämter
4. Gegenseitige eucharistische
Gastfreundschaft
500 Jahre Reformation zu feiern, ohne die
Kirchenspaltung wirklich zu beenden, würde bedeuten, neue Schuld auf sich zu
laden. In der globalisierten und säkularisierten Welt von heute wirkt das
Christentum nur dann glaubwürdig, wenn es sich als Gemeinschaft in wahrhaft
versöhnter Verschiedenheit darstellt. Dazu gehört ein konstruktive
Vergangenheitsbewältigung! Die Bannandrohungsbulle hallt nach: Exsurge Domine "Erhebe dich, Herr,
und richte deine Sache!“ ist wahrlich zu richten bzw. zu korrigieren, - denn
bald über 500 Jahre Trennung ist bereits eine viel zu lange Zeit! Wir blicken
gebannt auf eine gemeinsame und bessere Zeit.