ANGEDACHT: BILDgeschichte
Andacht Zwerge-Reise 2018
Santa Croce in Vinci
(Taufkirche von Leonardo da Vinci)
Liebe Schwestern und Brüder im Herrn,
in den letzten Tagen haben wir viel erlebt, haben viel gesehen, haben viele Bilder gemacht von schönen Momenten und haben uns auch ein Bild von anderen. Ich habe euch eine Geschichte mitgebracht, in der es um solche Bilder von uns und von anderen geht:
Eine Frau geht in einem Bistro zum Mittagessen. Sie holt sich einen Teller Suppe mit Würstchen und bringt diesen vorsichtig zu ihrem Tisch. Sie stellt den Teller ab, hängt ihre Handtasche über den Stuhl und merkt dann, dass sie den Löffel vergessen hat. Sie geht zurück zur Theke, holt sich einen Löffel und will wieder zu ihrem Tisch zurück. Zu ihrem großen Erstaunen sitz da ein Mann am Tisch und löffelt fleißig ihre Suppe. Er ist kein Deutscher, nicht blond und hat keine blauen Augen. Eher ein dunkler Typ, aus Arabien oder vielleicht aus der Türkei? Und der löffelt ihre Suppe!
Zuerst ist die Frau völlig perplex, sprachlos. Dass so etwas möglich ist! Dann ist sie nur noch wütend und denkt: „Der Typ ist wirklich frech, aber dem zeige ich‘s.“
Mit dem Löffel in der Hand geht sie an den Tisch, setzt sich dem Fremden gegenüber und fängt an, auf der anderen Seite aus demselben Teller zu essen.
Der Fremde sagt kein Wort, lächelt und isst weiter. Dann teilt er das Würstchen in der Suppe und schiebt ihr die andere Hälfte wortlos hin! Sie isst die Hälfte und löffelt weiter. Als der Teller leer ist, steht er auf, nickt, reicht ihr die Hand und geht, ohne ein Wort zu sagen.
Die Frau lehnt sich zurück, denkt nach und schmunzelt: „War das nicht wahrhaft christlich von mir? Ich bin großzügig gewesen, war nicht nachtragend, habe die Vorurteile gegenüber dem Fremden überwunden und mit ihm sogar meine Suppe geteilt. Dem habe ich’s gezeigt! Was für ein toller Mensch bin ich!“ Innerlich klopft sie sich auf die Schulter.
Als sie gehen will und hinter sich greift, um ihre Tasche zu nehmen, erschrickt sie. Die Handtasche ist weg! „So was hätte ich mir ja auch denken können!“ schimpft sie. „Wer sich über die Suppe fremder Leute her macht, der stiehlt auch deren Taschen!“
Sie springt auf, rennt zur Tür, um den gemeinen Dieb zu stellen, aber der ist weg. Nun sieht es wirklich schlimm aus, denn in der Handtasche sind Führerschein, Geld, Kreditkarte usw. Alles weg. Sie geht zurück zum Tisch, um sich einen Moment zu setzten, denn sie fühlt sich nicht wohl. Plötzlich bleibt sie stehen und sieht: Auf dem Tisch nebenan steht ein Teller Suppe. Er ist inzwischen kalt geworden. Und am Stuhl hängt ihre Tasche!! ...
Was ist passiert?
Die Frau hatte keinen Augenblick daran gezweifelt, im Recht zu sein und dass der andere im Unrecht wäre. Ihr Platz, ihre Suppe. Sie hat auch nicht gezweifelt: Er ist der Dieb.
ABER am Schluss muss sie feststellen: Nicht der Fremde hat ihre Mahlzeit aufgegessen, sondern sie die seine! Nicht er ist ein Dieb, sondern sie ist unaufmerksam.
Das bedeutet: Nicht sie war die Großzügige und Tolerante, sondern sie selbst war die Eingeladene! Nicht sie war toll, - der andere, der Fremde war toll und tolerant.
Woran liegt es?
Zu schnell hat sie sich die Frau ein Bild von der Situation gemacht, typisch Fremder, typisch Ausländer, - und: Die nehmen sich alles! Schnell machen auch wir uns ein Bild von Menschen und Situationen. Und lassen nur Informationen zu, die unsere Meinung bestätigen, alles andere sehen wir nicht mehr, sind blind … Auch wenn der Teller nur einen Tisch weiter steht …
Damit belügen wir uns selbst. In der Bibel heißt es: „Du sollst dir kein Bildnis noch irgendein Gleichnis machen, weder von dem, was oben im Himmel, noch von dem, was unten auf Erden, noch von dem, was im Wasser unter der Erde ist“ 2. Mose 20:4. …
Kurzum: Von nichts und niemanden sollen wir uns ein Bildnis machen!
… und nun?
Grundsätzlich sind Bilder Orientierungshilfen im Alltag und sie sind manchmal hilfreich, um unser Leben zu meistern. Problematisch wird es dann, wenn sie zu Klischees erstarren und keine Änderung zulassen. Wir machen uns ein Bild, Menschen, Politik, Meinungen, - und beharren darauf. Die Unfehlbarkeit eines Papstes bezweifeln wir, aber nicht an unserer Meinung, dem Bild, das wir uns gemacht haben. Damit fallen wir auf alte Muster rein, meinen immer im Recht zu sein, und merken gar nicht mehr, dass wir uns ein falsches Bild gemacht haben und uns nur einBILDen, im Recht zu sein. Wie wir sehen: Es ist manchmal nur ein schmaler Grat zwischen einem selbstgerechtem Heiligen und einem blinden Narren.
Daher macht die Geschichte Mut, über Menschen neu nachzudenken, ihnen eine zweite, dritte und vierte und nächste Chance zu geben.
Sie macht auch Mut, sich selbstkritisch zu hinterfragen, sich Fehler einzugestehen und Vorzüge bei anderen zu sehen, bei dem man zuerst nur Schlechtes gesehen hat.
Und sie macht Mut, sich nicht zu ernst zu nehmen und nicht überheblich zu werden. Und sie zeigt auch, dass man irren kann, Fehler machen kann, ohne dass die Welt untergeht. Dass nicht alles eine Katastrophe ist, sondern wir Menschen und Gott Gutes zutrauen dürfen. Was kann schon passieren? Im schlimmsten Fall fallen wir nicht tiefer als in Gottes Hand.
Amen.