(c) Grafik: Georg Rieger,
reformiert-info.de
Ich sehe es vor mir, als wäre es gestern gewesen. An
diesem Sonntagnachmittag stand ich mit aufgeschlagenen Knien, einer Beule am
Kopf und dem gebrochenen Rahmen meines Fahrrades vor der Tür und klingelte. Ich
war 8 Jahre alt und war halsbrecherisch durch eine Hecke gefahren, um den Weg
abzukürzen, und hatte dabei eine niedrige Betonmauer übersehen. Sie bremste
meine Fahrt abrupt, der Rahmen brach beim Aufprall und ich flog im hohen Bogen
über die Mauer. Nachdem ich das Blut abgewischt hatte, nahm ich das zerbrochene
Fahrrad und ging nachhause, um mir eine Riesenschelte abzuholen. Ich hatte ein
ganz schlechtes Gewissen. Als sich die Tür öffnete, sah mich meine Mutter an,
sah die Radreste, dann wieder mich, nahm mich nur in den Arm und sagte: „Gott
sei Dank ist dir nicht mehr passiert! Komm rein!“ – Kein Gardinenpredigt wegen
des kaputten Fahrrades. Keine Vorwürfe. Einfach nur in den Arm genommen.
Daran denke ich, wenn ich die Jahreslosung 2016
lese: „Gott spricht: Ich will euch trösten, wie
einen seine Mutter tröstet.“ Der Vers aus dem Buch
des Propheten Jesaja zeigt mit dem Bild der tröstenden Mutter, was Gott für uns
sein will. Sofort spüren wir, was das für uns bedeutet, wenn Gott uns zusagt,
dass er unser Trost sein will. Denn in der Verheißung „Ich will euch trösten“
liegt das Versprechen: Ich bin bei euch, immer, auch und gerade dann, wenn ihr
meine Nähe und Unterstützung braucht. Beides gehört zusammen: Die Nähe und die
darin liegende Ahnung, dass das Leid sich wenden wird.
Und Leid gibt es gerade sehr viel. Etwa 60 Millionen
Menschen sind weltweit auf der Flucht vor Hunger, Krieg und Not. Der Klimawandel
zerstört das Land und die Heimat vieler. Terrorgruppen im Nahen Osten und Afrika
morden, schikanieren und vertreiben Millionen von Menschen. Und auch bei uns
kämpfen viele um das Überleben, dass sie ihre Miete bezahlen können und das Geld
im Alter noch reicht.
Wenn wir die Schwelle zu einem neuen Jahr überschreiten,
wissen wir nicht, was das neue Jahr bringen wird. In dieser Situation versichert
uns die Jahreslosung: Ich will dein Trost sein! Das Wort „Trost“ ist von seinem
Ursprung her verwandt mit dem Wort „treu“. Der tröstet, steht also auch treu zu
mir.
Zum Trost gehört neben der Zuwendung und Nähe auch das
Versprechen, dass das Leid sich wenden wird. Die Mutter, die ihr weinendes Kind
im Arm hält, kann dieses Versprechen geben, denn sie kann weiter sehen als auf
das aufgeschlagene Knie. Sie weiß, dass es heilen wird, und kann darum sagen:
„Gleich wird es besser!“
Wenn wir am Beginn des neuen Jahres Gottes Verheißung
hören, dann bestärkt uns das in dem Vertrauen, dass unser Leben mit Gott gut
sein kann, bei ihm gut werden wird. Denn auch Gott kann weiter
sehen!
Trost als erlebte Treue ist eine Einladung. Eine
Einladung an der Schwelle zum neuen Jahr unsere Hand genauso vertrauensvoll in
Gottes Hand zu legen und das, was das neue Jahr uns bringen wird, zuversichtlich
aus seiner Hand anzunehmen. Es ist die Einladung, auch in diesem Jahr etwas von
dem weiterzugeben, was wir selbst empfangen haben: an Menschen in Not, an
Menschen auf der Flucht, an Menschen, die auf ein helfendes Wort warten oder auf
eine helfende Hand. So wird das neue Jahr auch an uns selbst spürbar, an dem, was Gott uns
allen verheißen hat: „Ich will euch trösten, wie
einen seine Mutter tröstet.“