Black, M.: Deutsche Dämonen
In seiner wohl bekanntesten Rede sprach der damalige Bundespräsident von Weizsäcker am 8.5.1985 anlässlich der vierzigsten Wiederkehr der Kapitulation Deutschlands positiv von diesem Ereignis. Er nannte es einen Tag der Befreiung. Dies veränderte das Narrativ vom Kriegsende. Davon unberührt blieb die sehr positive Bewertung der 50iger und 60iger Jahre als Jahre des Wiederaufbaus und wachsenden Wohlstandes (Stichwort: Wirtschaftswunder).
So beschreibt es Monica Black (sie ist eine amerikanische Historikerin des modernen Europa) auf S. 25 in ihrer „Einleitung“ auch; man vergleiche dazu eine ihrer umfangreichsten Anmerkungen auf S. 362. Zwei Seiten weiter berichtet sie jedoch von Hannah Arendt, die kritisierte, dass nirgendwo weniger als in Deutschland von dem Alptraum der letzten Jahre gesprochen werde. Black folgt Arendts Spuren. Sie will mit ihrem Buch gängige Sichtweisen korrigieren, bisher unbekannte oder verschwiegene, dunkle Seiten der jungen Bundesrepublik aufzeigen. Anhand vieler Recherchen (die eng bedruckten Seiten 359-416 enthalten zahllose Anmerkungen) – man wähnt sich im Mittelalter - verweist sie auf Hexenprozesse, Obsessionen, apokalyptische Visionen und Wunderheiler. Danke für diesen Blick von außen.
Aufstieg und Fall des Wunderheilers Bruno Gröning verfolgt sie en detail; man lese dazu ein ZEIT-Interview mit ihr (21.10.2021). Dies sind die stärksten Partien. Etwas blass und allgemein, nebulös und zu grob empfand ich die beiden abschließenden Seiten. Aber sie geben Anstöße nachzudenken und zur Vertiefung. (gm)
Monica Black
Deutsche Dämonen
Hexen, Wunderheiler und die Geister der Vergangenheit im Nachkriegsdeutschland
2021
gebunden 423 S.
978-3-608-98415-6
26,00 EUR (D), 26,80 EUR (A)
Klett-Cotta Stuttgart