Gebete zum Vater
ABBA, LIEBER VATER!
Gebete zum himmlischen Vater von
Beda und Mirjam Ackermann
Ein Wort zuvor
Die Menschheit an der Schwelle zum dritten Jahrtausend sieht sich vor Probleme gestellt, die nur gemeinsam gelöst werden können: die Sicherung des Friedens, der Kampf gegen Hunger, Armut und Krankheit, die Bewahrung der Schöpfung, um nur einige zu nennen. Auch sehen viele Menschen der Zukunft mit Angst und Sorge entgegen. Solidarität, das Bewusstsein, eine einzige, grosse Menschheitsfamilie zu bilden, werden nötiger denn je. Ist es nicht ein Gebot dieser Weltstunde, den tiefsten Grund unserer Zusammengehörigkeit, den Garanten unserer Zukunft entdecken zu lassen: Gott als Vater aller Menschen?
Uns Gott als Vater nahe zu bringen, uns dessen grenzenlose Güte zu offenbaren, das Kommen seines Reiches zu begründen und uns zu ihm zu führen, war die Sendung Jesu. Sein ganzes Leben war auf den Vater ausgerichtet:
«Wusstet ihr nicht, dass ich in dem sein muss, was meinem Vater gehört?» (Lk 2,49) «Niemand kommt zum Vater ausser durch mich.» (Joh 14,6) «Ich habe deinen Namen den Menschen offenbart.» (Joh 17,6) «Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist.» (Lk 23,46).
Schon die Art, wie Jesus seinen Vater nannte, war neu: «Abba», «Papa» — so wie ein kleines Kind seinen Vater anredet.
«Abba, lieber Vater!» war der begeisterte Ruf, der aus den Herzen der ersten Christen aufstieg.
Und heute? Sind wir mit Jesus auf dem Weg zum Vater? Oder hat uns die Kritik der Vaterfigur durch Psychoanalyse und Feminismus «vaterlos» gemacht?
Keineswegs, vorausgesetzt, dass wir uns bewusst sind, dass Gott Vater kein Mann ist, weil kein Mensch, sondern Gott, und dass wir mit dem Namen «Vater» das meinen, was Jesus gemeint hat, nämlich Gott als Urquell allumfassender, grenzenloser Güte. Dann aber dürfen wir in kindlicher Unbefangenheit Gott «Vater», ja, wie Jesus, «Abba», «Papa» nennen.
Diese einfachen Gebete, die auch als Novene verrichtet werden können, möchten so vielen Menschen wie möglich helfen, Gott als reine Güte zu entdecken, und so der Verwirklichung von dessen Liebesplan dienen: alle Menschen in Christus zu einer einzigen Familie zu vereinen, «zum Lob seiner Herrlichkeit»
(Eph 1,12).
Erster Tag
Du bist nur Liebe
Seht, wie gross die Liebe ist, die der Vater uns geschenkt hat...
(1 Joh 3,1)
Vater, wie wunderbar! Bei dir ist alles so einfach. Ich darf vor dir sein wie ein Kind.
Ich darf dich um alles bitten, und du gibst mir alles, was ich brauche.
Ich darf dir erzählen, was mich bewegt. Du hörst mich an, nimmst mich ernst, verstehst mich. Nie wirst du meiner überdrüssig.
Nie wendest du dich von mir ab.
Du bist jederzeit ganz für mich da.
Du schaust nicht auf das, was ich habe, was ich weiss, was ich kann, was ich leiste.
Du nimmst mich an, so wie ich bin.
Du schaust nicht auf meine Fehler und verurteilst mich nicht.
Du verzeihst mir alles und trägst mir nichts nach.
Du nimmst mich so, wie ich jetzt bin, nicht, wie ich war, und lässt mich jederzeit neu anfangen.
Von dir brauche ich nichts zu befürchten.
Du bist der Vater aller. Jeder darf zu dir kommen, niemand ist ausgeschlossen.
Jeden liebst du mit der gleichen Liebe, liebst ihn, wer immer er sei, wie deinen eigenen Sohn!
Vater, wie unerhört, ja unglaublich klingt dies alles! Und doch ist es wahr. Jesus hat bezeugt, dass du wirklich so bist: Liebe, grenzenlose Liebe.
Vater unser im Himmel,
geheiligt werde dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsre Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
Und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.
Zweiter Tag
Das grösste Geschenk
Wenn nun schon ihr, die ihr böse seid, euren Kindern gebt, was gut ist, wie viel mehr wird der Vater im Himmel den Heiligen Geist denen geben, die ihn bitten.
(Lk 11,13)
Vater, alle guten Gaben kommen von dir. Je grösser und kostbarer eine Gabe ist, desto lieber und schneller willst du sie uns geben.
Darum, lieber Vater, möchte ich dich heute um die grösste und beste aller Gaben bitten... um die LIEBE, um den HEILIGEN GEIST.
Vater, ich brauche den Heiligen Geist. Ich möchte leben, mich am Leben freuen, ohne den Tod fürchten zu müssen.
Ich möchte geistig jung und beweglich bleiben.
Ich möchte grossmütig, mitfühlend, hilfsbereit werden.
Ich möchte frei werden von allem, was mich belastet, hemmt, versklavt.
Ich will siegen über meine Lauheit und Trägheit, meine Ängstlichkeit, Mutlosigkeit und Traurigkeit.
Ich brauche Kraft zum Leiden, zum Verzeihen, zum Neuanfangen.
Ich möchte ein neuer Mensch werden und dazu beitragen, dass die Welt etwas menschlicher wird.
Du selbst hast diese Wünsche in unser Herz gelegt. Deine Freude ist es, sie zu erfüllen, indem du uns den Heiligen Geist schenkst.
Sende aus deinen Geist, der uns zu deinen Kindern macht, der deinen Namen heiligt, indem er in uns «Abba, lieber Vater!» ruft.
Gib, dass ich nicht nachlasse, immer wieder zu beten:
Komm, Heiliger Geist!
Vater unser...
Dritter Tag
Dein Herzenswunsch
Er hat uns aus Liebe im voraus dazu bestimmt, seine Söhne zu werden durch Jesus Christus.
(Eph 1,5)
Lieber Vater, von Ewigkeit her hast du an uns gedacht.
Dein liebendes Vaterherz hatte einen herrlichen Plan:
Du wolltest dir Kinder erwecken, um sie in deinem Sohn und wie deinen Sohn zu lieben.
Mit heiliger Begeisterung hast du das ganze Universum auf dieses Ziel hin geschaffen.
Du willst eine einzige grosse Familie, in der alle durch die Liebe Christi geschwisterlich miteinander verbunden sind.
Diese Liebesgemeinschaft ist deine Kirche: Alles in ihr ist auf Liebe gegründet. Darum soll auch alles in ihr aus Liebe, in Liebe und für die Liebe geschehen.
Welch ein Traum! Eine Gemeinschaft, die nur die Liebe kennt und allen Menschen offen ist.
Vater, dieser Traum soll Wirklichkeit werden!
Ich will da anfangen, wo ich gerade bin: Lass mich den Nächsten als den empfangen, den Jesus durch mich lieben will.
Mach mich geduldig, verständnisvoll, weitherzig. Gib, dass ich in Demut den andern höher einschätze als mich selbst, überall das Gute hervorhebe und mich liebloser Kritik enthalte.
Mögen nur jene Gedanken in meinem Geiste haften bleiben, die der Liebe und Einheit dienen, und mein Bemühen darauf gerichtet sein, Frieden zu stiften.
Vater, lass die Kirche immer mehr zum Abbild der dreieinigen Liebesgemeinschaft werden!
Vater unser...
Vierter Tag
Nur die Liebe zählt
…hätte aber die Liebe nicht, wäre ich nichts.
(1 Kor 13,2)
Vater, dein Wille ist Liebe, denn du bist die Liebe, bedingungslose, grenzenlose Liebe — und nur Liebe.
Vater, alle Liebe kommt von dir.
Erfülle mir Herz und Hand mit Liebe, Güte und Barmherzigkeit und lass sie überströmen auf jeden meiner Mitmenschen.
Du willst im Nächsten geliebt werden. Ich bin dir nicht näher als ich meinem Nachbarn, ja meinem grössten Feinde bin.
Lass mich so heiter und wohlwollend sein, dass alle, die mir begegnen, deine Gegenwart und deine Liebe spüren.
Hilf mir, alle so zu lieben, wie auch ich geliebt werden möchte.
Verleihe mir die Kraft, das Böse mit Gutem zu vergelten.
Gib, dass ich auch mich selber liebe, mit all meinen Mängeln, Schwächen und Grenzen — wie du mich liebst.
Lass mich alles als Gelegenheit zur Liebe betrachten und auf alles mit Liebe antworten:
auf Dunkles, Unverständliches mit Glauben und Vertrauen,
auf Krankheit und Not mit Hilfe und Trost,
auf Hass und Bosheit mit Gutsein und Verzeihen,
auf Ungerechtigkeit und Unterdrückung mit mutigem Einsatz für Gerechtigkeit und Freiheit.
Nur die Liebe zählt.
Liebe ist der Sinn meines Lebens.
Liebe ist meine Berufung.
So bitte ich dich denn nur um dieses eine:
um Liebe, um noch mehr Liebe.
Vater unser...
Fünfter Tag
Du sorgst für uns
Euer Vater weiss, was ihr braucht. (Mt 6,8)
Vater, ich weiss nicht, was das Leben mir noch bringt. Die Zukunft ist uns verborgen. Werde ich stets Arbeit finden? Wie wird es mir gesundheitlich ergehen? Was geschieht mit der Kirche? Wohin steuert die Welt?
Du willst nicht, dass wir uns sorgen, denn du sorgst für uns. Du bist ja unser Vater, und wir sind deine Kinder. Das Kind kann für seinen Lebensunterhalt nicht selber sorgen. Es kann sich nicht selber durchbringen. Es ist auf Hilfe angewiesen.
Vater, was wäre ich ohne dich! Was habe ich, das ich nicht empfangen hätte! Alles verdanke ich letztlich dir, mein gütiger Vater.
Du allein kennst die Zukunft. Du weisst alles, du vermagst alles, und du liebst mich. Darum kann ich mich bei dir total geborgen fühlen.
Vater, ich überlasse alles dir. Wie du es fügst, so ist es am besten. Ich glaube an deine Liebe.
Ich glaube, dass du deiner Kirche jederzeit mit deinem Geist beistehst und uns durch ihre Hirten auf gute Weide führst.
Du liebst unsere Erde. Darum glaube ich, dass du ihr auch Zukunft geben wirst.
Vater, ich vertraue dir ganz.
Ich will nur noch eines: auf deine Liebe mit dankerfüllter Liebe antworten und dir durch mein Vertrauen Freude machen.
Alles zu deiner grösseren Freude!
Vater unser...
Sechster Tag
Vergib mir!
Vater vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.
(Lk 23,34)
Vater, ich habe gegen die Liebe gefehlt.
Ich war selbstgerecht, engherzig, undankbar...
Ich weiss, für dich sind unsere Vergehen keine «Majestätsbeleidigungen». Was dich schmerzt, ist einzig, dass wir durch unsere Verfehlungen gegen unser eigenes Wohl verstossen.
Dir geht es nicht um deine verletzte Ehre, sondern einzig um das Glück deiner Kinder.
Vater, wie leid tut es mir, dass ich auf den Anruf deiner Liebe nicht gehört habe!
Allerdings kann ich dein Verzeihen nicht in Anspruch nehmen, wenn ich selber nicht verzeihe. Aber meine negativen Gefühle sind noch da. Vater, ich weiss, du schaust nicht auf unsere Gefühle, sondern auf unsern Willen. Wenn ich verzeihen
will, habe ich verziehen.
Vater, ich will allen vergeben, die mir unrecht getan haben, und für sie beten.
Vergib auch mir! Ich weiss, du tust nichts lieber als verzeihen. Vater, bewahre mich davor, andere zu richten, ihnen Vorwürfe zu machen, unversöhnlich, nachtragend zu sein.
Lass mich immer daran denken, dass Jesus sogar jene vor dir entschuldigt hat, die ihn kreuzigten. Vater, ich danke dir für deine Liebe und preise deine unendliche Barmherzigkeit.
Vater unser...
Siebter Tag
Trotz Leiden an deine Liebe glauben
Denn die augenblickliche, leichte Trübsal schafft uns eine überreiche, gewaltige Fülle ewiger Herrlichkeit...
(2 Kor 4,17)
Vater, wenn es in meiner Seele düster geworden ist, lass mich nicht meinen, du wärest nicht mehr bei mir.
Wenn ich von einer Krankheit oder von einem Leid heimgesucht werde, lass mich nicht meinen, du wollest mich für etwas strafen.
Wenn ich mich in Sünde und Schuld verstrickt habe, lass mich nicht glauben, du seist böse auf mich und würdest mich nicht mehr lieben.
Wenn ich mich unnütz und unfähig fühle, lass mich nicht denken, ich sei bei dir abgeschrieben.
Bist du mir nicht gerade dann besonders nahe, da du ja die Liebe bist?
Kann ich je Grösseres leisten als dann, wenn ich zu nichts anderem mehr fähig bin als zu leiden und zu sagen: Vater, ich liebe dich?
Die grösste Leistung ist das Leiden, und die grösste Tat ist die Liebe. Was hat Jesus am Kreuz noch tun können? Nichts als leiden und lieben.
Nicht du wolltest ja sein Leiden, denn du bist die Liebe. Aber du hast alles zum Besten gewendet, zu Leben und Heil für die ganze Welt, zu Sieg über Sünde und Tod, zu Herrlichkeit ohne Ende für alle, die ihr Herz der Liebe geöffnet haben.
Vater, ich glaube an deine Allmacht und Liebe.
Alles hast du zum Besten deiner Kinder gemacht.
Alles ist Gelegenheit zur Liebe.
Du kannst selbst das grösste Übel zum Guten wenden.
In deine Hände lege ich alles, was ich habe und bin.
Nicht mein, sondern dein Wille geschehe, immer und überall.
Vater, ich liebe dich!
Vater unser...
Achter Tag
Heim zu dir...
Muss ich auch wandern in finsterer Schlucht, ich fürchte kein Unheil; denn du bist bei mir.
(Ps 23/22,4)
Vater, die Zeit vergeht. Ich werde immer älter. Die Kräfte nehmen ab. Ich gehe dem Tod entgegen... Soll ich darüber traurig sein? — Nein. Jeder Augenblick, der vorübergeht, nähert mich dir...
Mag auch mein äusserer Mensch zerfallen, den innern erneuerst du mir Tag für Tag durch deine Liebe. Diese Liebe kennt kein Alter und kein Vergehen; sie ist ewige Jugend, Schönheit, Kraft und Frische.
Darum kann ich freudig und vertrauensvoll meinen Lebensweg weitergehen.
Vor nichts brauche ich Angst zu haben, denn deine Liebe ist mir sicher.
Auch vor dir brauche ich mich nicht zu fürchten.
Deine Gerechtigkeit steht nicht im Gegensatz zu deiner Güte.
Sie ist nicht eine rächende, vergeltende Gerechtigkeit wie oft die unsere, sondern eine, die gerecht macht; sie richtet nicht hin, sondern richtet auf; sie zahlt nicht heim, sondern führt heim: heim zu dir.
Deine Gerechtigkeit ist deine Heiligkeit — und Heiligkeit ist Liebe.
Vater, gib, dass ich mich an nichts festklammere, ausser an dir, nichts wichtig nehme, ausser der Liebe.
Lass mich immer einfacher, hingebender, dankbarer, freudiger werden, bis zu jener höchsten Stunde meines Lebens, da ich dir restlos alles schenken kann und heimkehren darf zu dir!...
Vater unser...
Neunter Tag
Himmlische Freude
Dankt dem Vater mit Freude! Er hat euch fähig gemacht, Anteil zu haben am Los der Heiligen, die im Licht sind.
(Kol 1,12)
Himmlischer Vater, wie wenige freuen sich auf den Himmel!
Der Himmel scheint die Menschen kaum mehr zu interessieren — oder interessieren sie sich überhaupt für etwas anderes als für den Himmel? Die ganze Welt sucht Freude, Glück und Seligkeit.
Vater, du hast uns für die Freude geschaffen, weil du die Liebe bist. Liebe will Freude bereiten.
Was kann ein Vater lieber sehen als fröhliche Kinder?
In der Freude öffnest du uns dein Herz.
Der Genuss der Güter dieser Erde soll uns erfahren lassen, wer du bist: Güte, grenzenlose Güte...
Der Himmel hat schon begonnen! Alle Freuden, die du uns schenkst. sind Vorboten des Himmels. Alle deine Gebote sind Wegweiser zum Himmel. Schon jetzt dürfen wir durch unsere Liebe und Güte ein Stück Himmel um uns verbreiten, dürfen uns an dir und aneinander, ja an all deinen Geschöpfen herzlich freuen und das Lob deiner Herrlichkeit singen.
Wie schön wird es einst im Himmel sein!
Jede Träne wirst du von unsern Augen abwischen. Keine Schuld, kein Leid, kein Tod wird mehr sein. Für immer wird nur noch eines unser Herz erfüllen und zutiefst beseligen:
die Liebe...
Vater unser...