Piketty, Thomas: Für einen ökologischen Sozialismus. Interventionen
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Piketty Thomas: Für einen ökologischen Sozialismus. Interventionen
Der französische Ökonom Thomas Piketty gehört zu den wichtigsten Intellektuellen unserer Zeit. Seit seinem Welterfolg Das Kapital im 21. Jahrhundert (2013) gilt er als maßgeblicher Analytiker globaler Ungleichheit. Mit seinem neuen Buch Für einen ökologischen Sozialismus legt er eine pointierte Sammlung von Kolumnen aus den Jahren 2020 bis 2025 vor, die wie ein Kompass für das politische Denken der Gegenwart gelesen werden kann – zugleich ökonomisch fundiert, philosophisch reflektiert und ethisch dringlich.
Ein Manifest der Hoffnung in der Krise
Piketty schreibt aus einer doppelten Erfahrung: der des Ökonomen und der des engagierten Intellektuellen. Während die Welt mit Klimakrise, wachsender Ungleichheit und geopolitischer Instabilität ringt, sucht er nach neuen Formen des solidarischen Zusammenlebens. Dabei verweigert er sich der resignativen Diagnose und ruft zu einer globalen Erneuerung der Gerechtigkeit auf.
Der Titel des Buches ist Programm: „ökologischer Sozialismus“ – damit meint Piketty keine ideologische Rückkehr zu alten Modellen, sondern eine neue Synthese aus sozialer Verantwortung, demokratischer Teilhabe und ökologischer Nachhaltigkeit. Seine zentrale These lautet: Die ökonomische Ungleichheit und die ökologische Krise sind zwei Seiten derselben Medaille. Wer das eine bekämpfen will, muss das andere mitdenken.
Globale Perspektiven – konkrete Analysen
Piketty verbindet in seinen Essays ökonomische Daten mit politischer Analyse. Er beschreibt, wie sich Vermögenskonzentrationen seit Jahrzehnten verschärfen, während die ökologischen Folgekosten dieser Wachstumsmodelle externalisiert werden. Er kritisiert die neoliberale Orthodoxie, die den Markt als Allheilmittel betrachtet, und fordert stattdessen eine gerechtere Verteilung von Ressourcen, Eigentum und Mitsprache.
Die Themen reichen von der geopolitischen Neuausrichtung nach Russlands Angriff auf die Ukraine über den wachsenden Protektionismus bis zur Zukunft Europas und des Nahen Ostens. Besonders eindringlich ist Pikettys Appell an eine „international vernetzte Linke“, die sich nicht in nationalen Interessen verliert, sondern globale Solidarität praktisch organisiert. Seine Vision: ein föderales, demokratisches Europa, das sich der sozialen und ökologischen Transformation verschreibt.
Philosophische und theologische Tiefenschichten
Hinter Pikettys ökonomischer Argumentation steht eine moralische und fast prophetische Dimension. Seine Forderung nach Umverteilung ist nicht bloß ökonomische Strategie, sondern Ausdruck eines tiefen Gerechtigkeitsverständnisses. In dieser Hinsicht steht Piketty in einer Linie mit Denkern wie Michael Sandel oder Amartya Sen, die ökonomische Vernunft mit ethischer Verantwortung verbinden.
Theologisch gelesen erinnert Pikettys Denken an die biblische Tradition sozialer Gerechtigkeit – an die Kritik der Propheten an Ungleichheit, an die Rede Jesu vom „Reich Gottes“ als Gegenmodell zu ausbeuterischen Strukturen. Sein „ökologischer Sozialismus“ kann so als säkulare Übersetzung eines biblischen Ethos verstanden werden: einer Welt, in der Macht und Besitz geteilt, Ressourcen bewahrt und der Mensch nicht zum Mittel ökonomischer Zwecke degradiert wird.
Damit spricht Piketty auch in kirchliche Debatten hinein: über Nachhaltigkeit, die Bewahrung der Schöpfung und die Glaubwürdigkeit sozialethischer Verantwortung. Seine Interventionen zeigen, dass die Frage nach Gerechtigkeit nicht nur ökonomisch, sondern zutiefst spirituell ist – sie betrifft die Würde des Menschen als Geschöpf Gottes.
Stil und Wirkung
Piketty schreibt klar, argumentiert leidenschaftlich und bleibt dabei stets faktenbasiert. Seine Essays sind weder akademisch trocken noch populistisch verkürzt, sondern verbinden analytische Schärfe mit intellektueller Wärme. Die zahlreichen Grafiken machen komplexe Zusammenhänge nachvollziehbar und belegen eindrücklich die strukturellen Ursachen der globalen Ungleichheit.
Für einen ökologischen Sozialismus ist kein theoretisches Lehrbuch, sondern ein Weckruf – ein Buch, das im besten Sinne politisch ist, weil es von der Möglichkeit des Guten überzeugt bleibt.
Thomas Piketty legt mit Für einen ökologischen Sozialismus ein inspirierendes und engagiertes Buch vor, das über die Ökonomie hinausweist. Es ist ein Aufruf zu einer „neuen Aufklärung“ – einer, die Vernunft mit Mitgefühl, Freiheit mit Verantwortung und Fortschritt mit Nachhaltigkeit verbindet.
Für Theologinnen, Philosophen und alle, die gesellschaftliche Ethik ernst nehmen, bietet dieses Buch wertvolle Impulse. Es zeigt, dass ökonomische Fragen immer auch moralische und letztlich theologische Fragen sind: Wie wollen wir leben – und wie gerecht sind unsere Strukturen wirklich?
Thomas Piketty
Für einen ökologischen Sozialismus. Interventionen
2025
217 Seiten
19 Grafiken, Klappenbroschur,
ISBN 978-3-406-83712-8
18,– €