Die Sehnsucht nach einem „starken Mann“ ist so alt wie
die Menschheit. Auch die Bibel berichtet davon und führt uns ins 6. Jahrhundert
vor Christus zurück. Schon vor über zweieinhalbtausend Jahren haben Korruption
und Misswirtschaft, Gottlosigkeit und moralischer Verfall, falsche Partner und
falsche Politik zum Untergang des judäischen Reiches geführt. Existenzverlust,
Flucht und Exil waren die Folgen, - und allerlei Propheten, die Hoffnung auf
einen schürten, der Recht und Gerechtigkeit bringen würde und sich darum kümmern
würde, dass Menschen wieder in Sicherheit und Ordnung leben könnten. Kommt Ihnen
das bekannt vor?
Wer Ausbeutung und Korruption erfahren hat, wer von
Machthabern belogen und im Stich gelassen wurde oder verpennt hat, sich
rechtzeitig zu engagieren, der sehnt sich nach einer starken Hand, die endlich
aufräumt (was man selbst nie konnte oder wollte). Meist sind es die „kleinen
Leute“, die sich selbst nicht zu helfen wissen, die daher am lautesten schreien.
Das, was sie unter „Anstand und Moral“ verstehen, das wollen sie verteidigen.
Und sie wollen noch ein bisschen Selbstwertgefühl. Viele sehnen sich nach einem
„starken Führer“, der die „Schande“ hinwegwischt. Das war 1933 in Deutschland so
und das erleben wir jetzt in Russland, in der Türkei und auch in den USA: die
Sehnsucht nach dem starken Mann. Man hat aus der Geschichte nichts
gelernt.
Aber trotzdem: Die Sehnsucht und die Sehnsüchtigen
müssen wir ernst nehmen. Denn die Sehnsucht der Sehnsüchtigen erinnert uns
daran, dass niemand sich abfinden darf mit der Welt, wie sie ist, und mit der
Gesellschaft, wie sie ist. Selbst die unsägliche AfD erinnert uns daran, dass es
doch die Vision eines Größeren geben müsste – etwas, das größer und bedeutender
und weltbewegender sein muss als das kleinkarierte europäische Hickhack und die
globale Ellbogenmentalität.
Auf das Volk zu hören, ist wichtig. Auch Martin Luther
riet, „dem Volk aufs Maul (zu)
schauen“, also gut zuzuhören. Aber nicht nach
dessen Munde zu reden! „Populus“ ist lateinisch für „Volk“ – „populär“ ist also
das, was dem Volk entspricht, was dem Volk einleuchtet, was das Volk bewegt. Nur
dem Populisten geht es nicht um das populus, - es geht ihm nur um die eigene
Macht. Der Populismus lebt von der Sehnsucht und zugleich Visionslosigkeit der
Anderen, die er damit manipuliert und für seine Ziele ausnutzt bzw. auf die
Straße schickt.
Aber die Sehnsucht der Sehnsüchtigen richtet sich immer
auf Über-Menschliches. Recht und Gerechtigkeit für alle, ausnahmslos – ein Land
der Hoffnung, in dem alle Menschen sicher wohnen: unabhängig von deren Religion,
Rasse, politischer oder sexueller Orientierung. Das kann nur Gott bewirken.
Daher beten wir im Vater Unser: „Dein Reich komme,
Dein Wille geschehe im Himmel wie auf Erden.“ Dann
ist es ein für alle Mal vorbei mit dem tödlichen Hass und der egoistischen Gier.
Das bekennen wir. Dafür leben wir. Darum beten wir. Darauf hoffen
wir: Dein Reich komme!
Wo ernsthaft so gebetet und gehofft wird, da haben
Populisten keine Chance! Wo christliche Hoffnung populär ist, haben Populisten
keine Chance. Denn Christen wissen, was wir von Menschen erwarten dürfen – und
was Gott allein erreichen kann. Und wie können wir die Worte und Taten der sog.
starken Männer beurteilen?
Als hätte er schon die post-faktischen Lösungen und
Populisten gekannt, schreibt der Apostel Paulus an die junge Gemeinde in
Thessaloniki: „Prüft aber alles, und nur das Gute
behaltet. Meidet allen bösen Schein!“ (1Thess5,
21f). Wenn Paulus’ Worte zum Maßstab und zur Richtschnur des Denkens, Handelns,
Surfens und Diskutierens werden, dann haben Populisten keine Chancen. Ich gebe
zu: Prüfet alles, und nur das Gute
behaltet, kann richtig mühsam sein. Aber es lohnt
es sich! Probieren Sie es aus.