KI als digitaler Diener im Dienst der Religion?
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KI als digitaler Diener im Dienst der Religion?
Zwischen Effizienz, Berufung und geistlicher Verantwortung
„Die Technik ist da – die Frage ist nur: Dient sie uns, oder dienen wir ihr?“ Diese zugespitzte Frage bringt auf den Punkt, worum es derzeit auch in den Kirchen geht: Wie können wir die Möglichkeiten künstlicher Intelligenz (KI) nutzen, ohne dabei die geistliche Substanz unseres Tuns zu verlieren? Die Tagung „AI Hopes, Fears and Realities: An Interdisciplinary Dialogue“ vom 1. bis 2. Juli 2025 in Zürich war ein eindrucksvolles Plädoyer dafür, die Ambivalenzen der KI weder zu ignorieren noch zu dämonisieren, sondern theologisch ernst zu nehmen.
Predigen auf Knopfdruck?
Zunehmend werden Tools wie Predigt-KI oder liturgische Textgeneratoren verwendet, um Zeit zu sparen – manchmal mit erstaunlich positiver Rückmeldung aus den Gemeinden. Doch ist die Predigt, wie wir sie verstehen, nicht mehr als ein wohlformulierter Text?
Der Zürcher Theologe reflektiert:
„Ich habe ChatGPT einmal eine Predigt schreiben lassen – sie war gefällig, biblisch fundiert, sprachlich stimmig. Aber sie hatte kein Herz.“
Hier zeigt sich ein entscheidender Punkt: Predigt ist nicht nur Kommunikation, sondern Verkündigung. Sie lebt vom Hören auf Gottes Wort, von Betroffenheit und Verantwortung. Martin Luther sprach vom Prediger als einem, „der nicht aus eigenem Vermögen, sondern vom Geist Gottes getrieben“ spreche.
Die zentrale Frage lautet also: Kann eine Maschine das übernehmen – oder vielmehr: Soll sie es überhaupt?
Theologie im Dazwischen
Die US-amerikanische Religionswissenschaftlerin Heidi A. Campbell plädiert dafür, die KI nicht vorschnell zu bewerten, sondern ihren Einsatzraum theologisch zu reflektieren:
„Theolog*innen sind keine Techniker – aber sie können Räume des Dazwischens schaffen, zwischen technischer Möglichkeit und menschlicher Verantwortung.“
Diese „Zwischenräume“ sind die Orte, wo geistliche Unterscheidung notwendig ist. Ähnlich wie der Unterscheidung der Geister in der ignatianischen Spiritualität, geht es nicht um ein bloßes „Ja“ oder „Nein“ zur KI, sondern um das Ringen um Orientierung: Was dient dem Leben, was der Wahrheit, was dem Evangelium?
Technik als Versuchung und Verheißung
Die Kirche kennt seit jeher den Zwiespalt zwischen technischer Machbarkeit und geistlicher Verantwortung. Der Computer wurde einst gefeiert als Befreiung von Büroarbeit – heute führt er oft zu Mehrarbeit. Ebenso verheißt die KI Zeitgewinn, birgt aber die Gefahr der Entfremdung von der eigenen Berufung.
Dietrich Bonhoeffer mahnte bereits in den 1940er Jahren:
„Die Kirche ist nur Kirche, wenn sie für andere da ist.“
Wenn also die Technik dazu dient, Seelsorge, Nächstenliebe und Verkündigung zu stärken – dann ist sie ein gutes Werkzeug. Wenn sie aber die personale Verantwortung ersetzt, dann wird sie zur Herausforderung.
KI in der liturgischen Praxis?
Auch im Bereich von Gebeten, Fürbitten oder liturgischen Texten ist KI heute einsatzfähig. Doch was ist ein Gebet, das kein Mensch spricht? Kann ein digital generierter Text „geistlich“ sein?
Hier ist eine theologische Linie hilfreich: Die liturgische Tradition kennt fest formulierte Texte – aber sie leben davon, dass sie in den Mund genommen, in der Stimme verkörpert, im Herzen bewegt werden.
Der Heilige Geist ist nicht programmierbar. Aber Menschen, die beten, können inspiriert werden – auch durch Technik, solange sie nicht entleert, sondern ermöglicht.
Ausblick: Gestaltung statt Verdrängung
Künstliche Intelligenz ist gekommen, um zu bleiben. Die Frage ist nicht, ob Kirche sie nutzt – sondern wie. Entscheidend ist, dass Kirche und Theologie den Diskurs mitprägen und nicht bloß nachträglich reagieren.
Vielleicht gilt, was schon der Apostel Paulus seiner Gemeinde schrieb:
„Prüft alles, das Gute behaltet.“ (1. Thess 5,21)
In diesem Sinne: Möge die KI ein dienendes Werkzeug sein – im Dienst der Verkündigung, nicht an ihrer Stelle. Sie kann unterstützen, aber nicht ersetzen, was dem Menschen aufgegeben ist: zu hören, zu sprechen, zu trösten – von Herz zu Herz.
Quelle und weitere Informationen:
https://www.reflab.ch/ki-der-digitale-diener-im-dienst-der-religion/