Hus Jan
Jan Hus (nach seinem wahrscheinlichen Geburtsort Husinec, Okres Prachatice, heute Tschechien; * um 1369; † 6. Juli 1415 in Konstanz), auch Johannes Huss genannt, war ein christlicher Theologe, Prediger und Reformator. Er war zeitweise Rektor der Karls-Universität Prag und starb während des Konzils von Konstanz, als er seine Lehre nicht widerrufen wollte, den Feuertod. Die nach Jan Hus benannte Bewegung der Hussiten geht zum Teil auf sein Wirken zurück.
Jan Hus, dessen Vater vermutlich Fuhrmann war, besuchte die Lateinschule in der Handelsstadt Prachatice in Westböhmen und studierte ab ca. 1390 in Prag. Nach dem Studium an der Karls-Universität Prag erreichte er 1396 den akademischen Grad eines Magister Artium, wurde Hochschullehrer und veränderte mit den diakritischen Zeichen Akut für lange Vokale und Punkt (tsch. nabodeníčko) für weiche Konsonanten die Schrift für die Wiedergabe der tschechischen Sprache.
Durch Hieronymus von Prag wurde er ab 1398 mit den Lehren des Oxforder Theologen John Wyclif vertraut, die er begeistert aufnahm. Tschechische Adelige, die seit der Vermählung der Schwester König Wenzels, Anne von Böhmen, mit Richard II. von England (1382) an der Universität Oxford studierten, brachten von dort Wyclifs Schriften nach Prag – zuerst die philosophischen, später auch die theologischen und kirchenpolitischen. Wyclif forderte aufgrund der sittlichen Verfallserscheinungen des Klerus in England und in Böhmen die Abkehr der Kirche von Besitz und weltlicher Macht.
Jan Hus begann 1398 Theologie zu studieren und wurde 1400 zum Priester geweiht. 1401 wurde er zum Dekan der philosophischen Fakultät ernannt. 1402 wurde er Professor und übte das Amt des Rektors der Prager Universität von 1409 bis 1410 aus. Dort lehrte er Theologie und Philosophie.
Ab 1402 predigte Hus in tschechischer Sprache in der in der Prager Altstadt befindlichen Bethlehemskapelle und führte das gemeinsame Singen während des Gottesdienstes in der tschechischen Landessprache ein. Hus, der zunächst unter Erzbischof Zbynko Zajíc von Hasenburg großes Ansehen genoss, wurde von diesem mehrfach zum Synodalprediger bestimmt. Er wurde Beichtvater der Königin Sophie von Bayern. Hus predigte eine strenge, tugendhafte Lebensweise und eiferte gegen Zeitgeist und Mode, so dass er gelegentlich die Zünfte der Schuster, Hutmacher, Goldschmiede, Weinhändler und Wirte gegen sich aufbrachte.
Beeinflusst durch die Lehren Wyclifs kritisierte er den weltlichen Besitz der Kirche, die Habsucht des Klerus und dessen Lasterleben. Er kämpfte leidenschaftlich für eine Reform der verweltlichten Kirche, trat für die Gewissensfreiheit ein und sah in der Bibel die einzige Autorität in Glaubensfragen, im Gegensatz zu der Doktrin der Amtskirche, dass der Papst die letzte Instanz bei Glaubensentscheidungen sei. Von John Wyclif übernahm Hus zudem die Lehre der Prädestination und setzte sich für die Landessprache als Gottesdienstsprache ein.
1408 erfuhr der Prager Erzbischof von Hus' Predigten und enthob ihn daraufhin seiner Stellung als Synodalprediger. Das Lesen der Messe und das Predigen wurden ihm verboten. Er hielt sich aber nicht an diese Verbote, predigte weiterhin gegen Papsttum und Bischöfe und brachte in kurzer Zeit große Teile Böhmens auf seine Seite.
Um der Reformbestrebungen Herr zu werden, unterwarf sich der Prager Erzbischof dem Papst Alexander V., einem der damaligen drei Päpste, und erwirkte von ihm eine Bulle, welche die Auslieferung der Schriften Wyclifs und den Widerruf seiner Lehren forderte. Außerdem sollte das Predigen außerhalb der Kirchen verboten werden. Nachdem diese Bulle am 9. März 1410 veröffentlicht wurde, ließ der Erzbischof über 200 Handschriften Wyclifs öffentlich verbrennen und verklagte Jan Hus in Rom. Hus, der sich dort erfolglos durch Abgesandte vertreten ließ, wurde daraufhin im Juli 1410 mit dem Kirchenbann belegt. Papst Johannes XXIII. bannte ihn im Februar 1411. Hus wurde exkommuniziert und der Stadt Prag verwiesen. Als Folge davon brachen in Prag Unruhen aus.
Aufgrund seiner Beliebtheit, die in Volksdemonstrationen gipfelte, lehrte er unter dem Schutz des Königs zunächst noch ein Jahr weiter. Er verurteilte nun die Kreuzzugs- und Ablassbullen von Papst Johannes XXIII. 1412 jedoch musste Hus fliehen.
Das Konstanzer Konzil
Die Unruhen und theologischen Streitigkeiten in Böhmen beschäftigten auch das Konzil von Konstanz ab 1414. Es galt, den Ruf des Landes wieder herzustellen und sich vom Vorwurf, Häresie zu dulden, zu befreien. Der deutsche König Sigismund sicherte Hus freies Geleit (einen salvus conductus für Hin- und Rückreise und die Zeit des Aufenthalts) zu und stellte ihm einen Geleitbrief in Aussicht. Hus machte sich aber schon vorher auf den Weg, um seine Ansichten vor dem Konzil darzustellen, und erreichte am 3. November Konstanz, wo er zunächst drei Wochen in einer Herberge predigte und danach festgenommen wurde: Angeblich um seine Flucht zu verhindern, setzte man ihn am 28. November in der Wohnung eines Domherrn und am 6. Dezember im Verlies des Dominikanerklosters auf der Dominikanerinsel gefangen. Hier durchlebte er einige qualvolle Wochen. Bei Tage wurde er gefesselt und nachts in einen Verschlag gesperrt. Er war dem Gestank einer Kloake ausgesetzt, wurde schlecht ernährt und war von Krankheit gepeinigt. Da mit seinem Tode nicht gedient war – man wollte seinen Widerruf –, wurde er ab 24. März 1415 in ein etwas erträglicheres Quartier verlegt.
Als Sigismund am 24. Dezember 1414 eintraf, gab er sich über den Bruch des Geleitbriefes zornig, tat aber nichts, um Hus zu helfen. Da er die böhmische Krone seines Bruders Wenzel beerben wollte, war ihm stärker daran gelegen, den Ruf Böhmens zu rehabilitieren. Die Geleitzusage Sigismunds wurde für nichtig erklärt, da Hus seine Ansichten nicht zurücknehmen wolle und deshalb nicht mehr die weltliche Ordnung für ihn zuständig sei, sondern die kirchliche (nach damaliger Auslegung war die Zusage ohnehin nichtig, da es gegenüber einem Häretiker keine verpflichtende Zusage geben konnte).
Im März 1415 floh Papst Johannes XXIII., als dessen Gefangener Hus galt, aus Konstanz. Hus kam am 24. März in den Gewahrsam des Bischofs von Konstanz. Papst Johannes XXIII. wurde bald gefangen genommen, nach Konstanz zurückgebracht und eingekerkert.
Inselhotel, früher Dominikanerkloster auf der Insel in Konstanz mit rundem Gefängnisturm, in dem Hus gefangengehalten wurde
Am 4. Mai 1415 verdammte das Konzil Wyclif und seine Lehre posthum. Da Wyclif zum Zeitpunkt der Verurteilung jedoch bereits 30 Jahre tot war, konnte man seiner nicht mehr habhaft werden. Dafür wurde die Verbrennung seiner Gebeine angeordnet und 1428 tatsächlich durchgeführt.
Hus kam am 5. Juni in das Franziskanerkloster. Dort verbrachte er die letzten Wochen seines Lebens. Vom 5. bis 8. Juni wurde Hus im Refektorium des Klosters verhört. Hus unterstützende böhmische und mährische Adlige erreichten, dass Hus auf dem Konzil in aller Öffentlichkeit sich und seine Lehren zumindest ansatzweise verteidigen konnte. Das Konzil verlangte von ihm den öffentlichen Widerruf und die Abschwörung seiner Lehren. Hus lehnte dies ab. Bis Ende Juni versuchte man noch mehrfach vergeblich, ihn zum Widerruf zu bewegen.
Verurteilung und Hinrichtung
Am Vormittag des 6. Juli 1415 wurde er in feierlicher Vollversammlung des Konzils im Dom, dem heutigen Konstanzer Münster, auf Grund seiner Lehre von der „Kirche als der unsichtbaren Gemeinde der Prädestinierten“ als Häretiker zum Feuertod verurteilt. Beteiligt am Konzil im Dom waren als Repräsentanten der weltlichen Mächte König Sigismund, Friedrich von Hohenzollern, Ludwig III. von der Pfalz und ein ungarischer Magnat. Die Beteiligten am kirchlichen Schuldspruch waren der Kardinalsbischof von Ostia, der Bischof von Lodi, der Bischof von Concordia und der Erzbischof von Mailand. Da Papst Gregor XII. zuvor abgedankt und Papst Johannes XXIII. kurz zuvor abgesetzt worden war, erfolgt die Verurteilung ohne päpstliche Beteiligung.
Hus wurde der weltlichen Gewalt übergeben. Das als Reichsgesetz geltende Urteil wurde im Auftrag des Königs durch den Pfalzgrafen Ludwig vollstreckt. Jan Hus wurde am Nachmittag des 6. Juli 1415 auf dem Brühl, zwischen Stadtmauer und Graben, zusammen mit seinen Schriften verbrannt. Seine Asche wurde in den Rhein gestreut. Heute erinnert ein Gedenkstein am mittelalterlichen Richtplatz in der danach benannten Straße „Zum Hussenstein“ daran. Die Hinrichtung leitete der Pfalzgraf. Kurz vor der Hinrichtung kam der Reichsmarschall von Pappenheim angeritten und forderte Hus im Namen des Königs Sigismund zum letzten Mal zum Widerruf auf. Hus weigerte sich. „Der Reichsmarschall schlug zum Zeichen der Exekution in die Hände. Die Fackel wurde an den Holzstoß gelegt“.
In seinem Abschiedsbrief hatte Hus an seine Freunde geschrieben:
„Das aber erfüllt mich mit Freude, daß sie meine Bücher doch haben lesen müssen, worin ihre Bosheit geoffenbart wird. Ich weiß auch, daß sie meine Schriften fleißiger gelesen haben als die Heilige Schrift, weil sie in ihnen Irrlehren zu finden wünschten.“
Nachwirkung
Über eine Rehabilitierung in der römisch-katholischen Kirche wird derzeit diskutiert. 1996 äußerte Kardinal Miloslav Vlk die Meinung, dass das Urteil gegen Hus widerrufen werden müsse. 1999 erklärte Papst Johannes Paul II. anlässlich eines Historikerkongresses über den Reformator:
„Heute […] fühle ich mich verpflichtet, mein tiefes Bedauern auszusprechen für den grausamen Tod von Jan Hus und für die daraus folgende Wunde, Quelle von Konflikten und Spaltungen, die dadurch in den Geist und die Herzen des böhmischen Volkes gerissen wurde.“
Bis heute ist die Rehabilitierung aber noch nicht erfolgt!
Der Prager Maler Hans Stiegler malte im 18. Jahrhundert eine Gans hinter Luther, um anzudeuten, dass Hus Luthers Vorläufer sei
In den protestantischen Kirchen genießt Jan Hus hohes Ansehen als Vorläufer des Reformators Martin Luther, der im folgenden Jahrhundert seine Ideen und Ideale aufgriff. Vor seiner Hinrichtung soll Hus gesagt haben: „Heute bratet ihr eine Gans, aber aus der Asche wird ein Schwan entstehen“. Hus bedeutet tschechisch Gans. Später brachte man dies mit Luther in Zusammenhang und machte deshalb den Schwan zu dessen Symbol.
Geistes- bzw. ideengeschichtlich gebührt Jan Hus die Ehre, ein Wegbereiter der uns heute so selbstverständlichen Gewissensfreiheit zu sein.